Neubeginn im Rathaus

■ Fröhliche Bürger und deren fröhliche Meister schütteln sich die Hände

Es gibt Menschen, denen nicht einmal das Ausschlafen am Neujahrsmorgen heilig ist. Allein in Hamburg folgten gestern 2000 fröhlich schnatternde Frühaufsteher aus den Reihen des Hanse-Fußvolks dem 11-Uhr-Appell ihres demokratisch gewählten Souveräns: Henning Voscherau, Erster Bürgermeister, hatte zum Marathon-Händeschütteln ins Rathaus geladen.

Auch persönliche Glückwünsche erfreuten sich beim traditionellen Neujahrsempfang durchaus freundlicher Entgegennahme. Hoch oben auf der Empore thronend, mühelos vom Platt ins Hochdeutsche oder auch mal einen eigenartigen Singsang wechselnd („Mein kleiner grüner Kaktus“, „Hammonia“, „Hamborger Veermaster“), hob der Meister die Hand zum Gruße seiner Bürger auf „ein gesundes, glückliches, erfolgreiches Neues Jahr“.

Das Polizeiorchester überzeugte mit einem Tusch selbst ärgste Kritiker von seiner Existenzberechtigung und öffentlichen Subventionswürdigkeit. Die Innung der Bäcker sang, die der Fleischer verteilte rosa Plastik-Sparschweine und verloste Würste. Dann eröffnete Henning Voscherau „eine wunderbare, zu Herzen gehende Ausstellung“ mit Fotos, Zeichnungen und Texten über das Hamburger Rathaus, das in diesem Jahr 100 Jahre alt wird. Die Ausstellung, zusammengestellt von dem „wandelnden Hamburglexikon“ und Senatssprecher Hinrich Fock, erzählt die Baugeschichte des Rathauses von der Kaiserzeit bis heute. Bis zum 31. Januar bleibt sie im Rathaus-Foyer, anschließend wandert sie durch die sieben Bezirke und in Hamburgs Partnerstadt Dresden.

Gestern allerdings fiel es schwer, sie mit Muße zu bewundern; zu gedrängt war der zeitliche Ablauf des Festprogramms. Durch den prächtigen Festsaal wurde das Volk in ein Nebenzimmer geführt, wo Voscherau und sein Stellvertreter, Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos), beherzt Hände schüttelten. Die beiden wurden am Dienstag übrigens zum letzten Mal für ein Jahr zu Regierungschefs gewählt. Im Zuge der Verfassungsreform wird der hanseatische Brauch der jährlichen Bestätigung des Stadtoberhaupts durch den Senat aufgehoben. Künftig wird der Bürgermeister direkt vom Parlament gewählt und beruft seinen Stellvertreter selbst. Trauer über das Ende dieser 800jährigen Tradition war beiden nicht anzumerken. hh