■ SURFBRETT
: Das digitale Wendland

Der Veranstaltungskalender ist noch nicht auf dem neusten Stand. Aber das wird sich bald ändern, dafür wird Bonns angebliche Umweltministerin Merkel im Auftrag der deutschen Atomindustrie schon sorgen. Niedersachsens Innenminister Glogowski hat schon mal Termine im März und April genannt, zu denen der nächste Castor-Transport ins Wendland rollt. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg ist auf jeden Zwischenfall dieser Art vorbereitet, inzwischen hat sie auch das Internet besetzt, und zwar gleich mit einer ungewöhnlich schönen und informativen Homepage unter http://www. oneworld.de/castor/.

Über allem lacht die bewährte Sonne mit der geballten Faust, die Computertechnik hat es möglich gemacht, daß sie dem Atomstaat nun ab und zu auch noch neckisch die Zunge herausstreckt. „Wir stellen uns quer“ heißt die Parole, die natürlich nicht nur auf die Bahngleise im Landkreis Lüchow-Dannenberg anwendbar ist. Die Website enthält auch ein paar englische Texte für neue Freunde des Wendlands aus dem grenzenlosen Cyberspace. Für den kommenden dritten Tag X wirbt die Bürgerinitiative wieder um bundesweite Unterstützung und denkt dabei weniger an Anschläge auf Bahnstrecken, die auch in diesem Jahr wieder Schlagzeilen machen werden. Aber das ist nicht beste Art, den inzwischen zwanzig Jahre alten Kampf um das Atomlager Gorleben in die Presse zu bringen. Susanne Kamien warnt davor, der Polizei die Inszenierung medienwirksamer Bilder von „Gewalttätern gefühlsdusligen Fortschrittsgegnern und radikalen Staatsfeinden“ zu überlassen. „Bevor sie uns inszenieren, sollten wir uns selbst in Szene setzen“, schreibt die Sprecherin der Bürgerinitiative und schlägt vor, schon Tage vor der Castorfahrt „Umzüge“ mit phantasievoll dekorierten Wagen, besetzt von Aktivisten und eingeladenen Journalisten, zu veranstalten.

Die technischen Daten der Castorbehälter sind zur Zeit noch nicht online verfügbar. Diese Endstufen des radioaktiven Amoklaufs gehören ja nun auch definitiv dem Zeitalter der industriellen Dinosaurier an, das gerade zu Ende geht. Wem es an Ideen für die Zukunft fehlt, kann sich von Fotos der vergangenen Aktionen in Gorleben inspirieren lassen – und der Strom für den Computer muß ja nicht aus einem Atomkraftwerk kommen. Voller Stolz beschreibt die Bürgerinitiative, daß die Windkraft endlich auch ins Wendland eingezogen ist. Der erste Generator heißt „Wendoline“, zwei weitere sollen in diesem Jahr folgen. niklaus@taz.de