Der Rächer der Enteigneten

■ Jahresendzeitserie: Ruiz Mateos, spanischer Großunternehmer

Madrid (taz) – Die geerbten Weinkellereien aus Familienbesitz waren José Maria Ruiz Mateos zu klein. Als katholischer Familienvater wollte er schließlich jedem seiner 13 Kinder einmal etwas weitergeben. Mitte der siebziger Jahre schienen die Zeiten in Spanien wie geschaffen, um Privatbetriebe zu vergrößern. Diktator Franco lag im Sterben, die staatliche Lenkung wich privater Initiative. Der andalusische Unternehmer Ruiz Mateos kaufte zusammen, was die öffentliche Hand abstieß: Banken, Versicherungen, Baufirmen, Industriebetriebe, Hotelketten, Warenhäuser. Die „Bienenstockholding“ wie der Volksmund Rumasa (Ruiz Mateos AG) nannte, wuchs unaufhörlich. Doch sein Traum vom Großunternehmer platzte am 23. Februar 1983 wie eine Seifenblase.

Rumasa wurde auf Empfehlung der Notenbank von Miguel Boyer, Wirtschaftsminister unter dem frisch gewählten Sozialisten Felipe González, enteignet. Die 20 Rumasa-Banken seien durch die Vergabe von Risikokrediten für den ständigen Kauf neuer Unternehmen kurz vor dem Zusammenbruch, meinte die Banco de España. Die 777 Rumasa-Betriebe mit 60.000 Mitarbeitern wurden nach und nach saniert und anschließend reprivatisiert. Über 10 Milliarden Mark kostete das die spanischen Steuerzahler.

Ruiz Mateos floh vor der Anklage wegen Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung und Betrugs ins Ausland. 1985 lieferte ihn Deutschland nach einem abgelehnten Asylantrag an Spanien aus. Seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Enteignung blieb erfolglos. Unter lautem „Verdammt, ich hau' dich“-Gebrülle nahm Ruiz Mateos seinen Fall selbst in die Hand. Bei einem zufälligen Zusammentreffen schlug er auf den überraschten Wirtschaftsminister Boyer ein und tauchte dann wieder ab. Um dem Kadi zu entkommen, kandidierte Ruiz Mateos 1989 für das Europaparlament. Obwohl von der Polizei gesucht, klebte er Plakate direkt neben dem Sitz der Sozialisten in Madrid und schickte Fotos davon an die Presse. Eine Mateos-Manie brach aus. Plötzlich wollte ihn jeder gesehen haben. „Ruiz Mateos verkleidet in La Coruña“ war nur eine von vielen Schlagzeilen des ungewöhnlichen Wahlkampfes. Der Flüchtige wurde tatsächlich nach Straßburg gewählt und somit immun.

Ruiz Mateos fand Geschmack an der Rolle des Rächers der „Opfer der Sozialisten“. Seine Auftritte vor Gericht bei Korruptionsprozessen im Supermannkostüm, eine Villa gegenüber dem Feriendomizil der Familie Boyer in Marbella, ein Haus gleich neben dem von Felipe González, um dort ein Antikorruptionszentrum zu errichten, eine Pressekonferenz mit einer Tänzerin, die behauptet, der Vater ihrer zwölfjährigen Tochter sei Boyer, Fotos einer Sexorgie, auf denen der Chef der Polizeitruppe Guardia Civil in verfänglichen Situationen zu sehen ist – Ruiz Mateos scheute keine Mühen und Kosten, um seinen Erzfeinden auf die Nerven zu gehen.

Laut der spanischen Tageszeitung El Pais stammen viele Informationen, die die Sozialisten in den vergangenen Jahren von einem Skandal zum nächsten taumeln ließen, von Ruiz Mateos. Sein Auslandsvermögen und die Neuerwerbungen, von der Puddingfabrik bis zum Madrider Erstligisten Rayo Vallecano, ermöglichen ihm diese kleinen Späße. Der Prozeß gegen den ehemaligen Rumasa-Chef soll nach 13 Jahren im Januar endgültig in die letzte Runde gehen, wenn er nicht vorher eingestellt wird. Denn im neuen, vor einem Jahr in Kraft getretenen Strafgesetzbuch sind die ihm zur Last gelegten Vergehen nicht mehr enthalten. Reiner Wandler