Barfuß ausgesetzt bei minus 15 Grad

■ 16 jugendliche Flüchtlinge aus Bangladesch und dem Irak nur mit leichter Kleidung nahe der Autobahn Berlin–Frankfurt (Oder) gefunden. Behandlung auf der Intensivstation. Fahndung nach Schleppern ergebnislos

Berlin (taz) – Sie kamen aus der Sonne und landeten im Dauerfrost: 16 Flüchtlinge sind am Dienstag halb erfroren und ohne Papiere im Gewerbegebiet Wildau 25 Kilometer südlich von Berlin gefunden worden. Der Gewerbepark liegt nahe der Autobahn Berlin–Frankfurt (Oder). Vermutlich stammen 15 Flüchtlinge aus Bangladesch, einer soll nach Angaben der Polizei aus dem Irak kommen.

Die jungen Männer hatten bei einer Firma Zuflucht gesucht, die sofort die Rettungsdienste verständigte. Die zwölf Jungen im Alter zwischen 13 und 16 sowie die vier Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren mußten mit teilweise schweren Erfrierungen ins Krankenhaus. Sie waren nur leicht bekleidet und trugen keine Schuhe – einige waren sogar barfuß. Wie der behandelnde Arzt mitteilte, müssen bei zehn von ihnen möglicherweise Gliedmaßen amputiert werden.

Die Identität der Flüchtlinge ist genauso unklar wie die Frage, wie sie nach Deutschland gekommen sind. Die Brandenburger Polizei ermittelt, ob Schleuser die jungen Männer über die Grenze gebracht und südlich von Berlin ausgesetzt haben. Die Kommunikation mit den Flüchtlingen funktioniere per Dolmetscher und sei sehr mühsam, sagte ein Polizeisprecher zur taz: „Die sind offenbar gut instruiert und sagen nicht viel.“

Kein Wunder, denn die Flüchtlinge werden durch die Schleuser häufig massiv eingeschüchtert: „Wir wissen nicht, ob diese Schlepperorganisationen auch in Deutschland noch zugreifen und Rache nehmen können – wir wissen nur, daß die Flüchtlinge manchmal vor Angst zittern, wenn wir sie finden“, sagte ein Grenzschutzbeamter zur taz. Außerdem: Wenn ihnen die „Einreise“ über Polen oder die Tschechische Republik nachgewiesen werden könnte, griffe die Drittstaatenregelung: Die Asylbewerber würden sofort dorthin abgeschoben werden. „Das würde allerdings auch schwer werden, denn die Polen oder Tschechen verlangen sichere Beweise für die Flucht über ihre Grenze“, so der Grenzschützer. Sein Fazit: „Die will doch keiner haben.“

Die Zahl der illegalen Flüchtlinge, die an der Ostgrenze aufgegriffen werden, hat seit Inkrafttreten des neuen Asylrechts 1994 stark abgenommen: Während 1992 eine knappe halbe Million erwischt wurden, waren es 1995 etwa 110.000. Dabei verliefen die Fluchtversuche völlig wetterunabhängig, so der Beamte. „Manche kommen im Sommer dick eingepackt, andere durchschwimmen im Winter die Oder – im Trainingsanzug!“ Erst Anfang Dezember war eine 35jährige Frau aus Sri Lanka an der deutsch-tschechischen Grenze im Bayerischen Wald ausgesetzt worden und erfroren. Zwei tschechische Schlepper sind inzwischen in Haft.

Nach der Genesung im Krankenhaus werden die jetzt gefundenen Flüchtlinge zur Zentralen Aufnahmestelle nach Eisenhüttenstadt gebracht. Dann entscheidet die Brandenburger Ausländerbeauftragte Almuth Berger, was mit ihnen geschieht: Asylbewerberverfahren – oder Abschiebung. Florian Gless