Lieber „auf Platte“

■ Über hundert Bremer Obdachlose schlafen noch im Freien / Notübernachtungen nicht ausgebucht

Frau K.* sitzt bibbernd auf einer Roste vor einem piekfeinen Bekleidungsgeschäft in der Sögestraße. Die Beine hat sie notdürftig mit einem Pullover umwickelt, den Kragen des Wollmantels hochgeschlagen, eine dicke Mütze über die Ohren gezogen. Frau K. ist obdachlos, seit vier Wochen ist sie „auf Platte“, wie sie sagt. Seit vier Wochen schläft sie im Freien. „Mal hier, mal da. Letzte Nacht habe ich am St.-Jürgen-Krankenhaus geschlafen“, erzählt sie. „Da hat mir jemand einen Schlafsack geschenkt. Endlich was Warmes.“

So wie Frau K. geht es mehr als hundert BremerInnen. Hundert von dreihundert Obdachlosen in der Stadt. Hundert BremerInnen, die sich nachts unter Brücken, in Hauseingängen und Fußgängerpassagen verkriechen. Ihre Zahl schätzt die Innere Mission, die die beiden Notunterkünfte in der Duckwitzstraße und im Jakobushaus betreibt. Absurde Situation: Beide Notübernachtungen sind nicht voll belegt. „Es braucht niemand auf der Straße zu schlafen“, sagt Berthold Reetz vom Jakobushaus. Gestern sind schließlich Mitarbeiter der Inneren Mission mit einem großen Suppentopf und heißem Kaffee durch die Innenstadt gezogen, um Obdachlose davon zu überzeugen, daß sie sich nachts lieber ins Warme begeben sollten.

Es ist schwierig, an die Wohnungslosen ranzukommen. „Viele gehen lieber auf Platte, trotz der Kälte“, erzählt Reetz. Manche hätten schlechte Erfahrungen gemacht, seien im Nachtasyl beklaut worden oder wollten schlicht „nicht sozialpädagogisiert werden. Und einige schämen sich ganz einfach. Wir haben viele, die nicht mal ihre tägliche Sozialhilfe bei uns abholen.“ Gerade die sind es, um die sich Reetz und seine Mitstreiter jetzt die größten Sorgen machen. „Welche, die in Gruppen sind, die können noch gegenseitig auf sich aufpassen. Aber gerade die Einsamen sind jetzt am meisten gefährdet.“

Wie Frau K. Sie habe schon mal beim Jakobushaus gefragt, „aber da haben sie mich weggeschickt. Da gibts bloß Platz für Männer.“ Was die Mitarbeiter der Diakonie schwer erregt. „Das kann nicht sein“, sagt Berthold Reetz. Natürlich gebe es auch Schlafplätze für Frauen. „Bei uns wird wirklich niemand abgewiesen.“ *Name geändert J.G.