■ Innenminister Kanther will Bundesgrenzschutz verstärken
: Unheilige Allianz der Skrupellosigkeit

Wenn eine Ware knapp wird, steigen die Preise. Das gehört zum Einmaleins der Marktwirtschaft. Verschwindet das begehrte Handelsgut vom offiziellen Markt, boomt der schwarze. Wird die Ware auch noch verboten, feiert die Skrupellosigkeit Triumphe. Kriminalisierte Ware produziert mafiotische Zwischenhändler, Zuhälter und Dealer, die sich an der Durchbrechung des Verbotes eine goldene Nase verdienen. Das galt für den Alkohol in der Ära der Prohibition, das gilt für käuflichen Sex in Zeiten illegalisierter Prostitution, und das gilt für Drogen, solange sie unter die Kategorie der verbotenen fallen.

Europäische Asylpolitik hat in den vergangenen Jahren eine weitere verbotene und deshalb um so teurere Handelsware geschaffen – die Eintrittskarte in Länder mit politischer Sicherheit und westlichem Wohlstand. Den Preis dafür zahlen immer mehr Flüchtlinge nicht nur mit Geld. Er kostet sie körperliche Unversehrtheit und immer häufiger auch das Leben. Die jüngsten Opfer sind sechzehn junge Männer, die man zur Jahreswende halb erfroren in der Nähe Berlins auffand. Die Schlepper, die ihnen den begehrten Eintritt verschafften, hatten ihren Job erledigt, ihr Geld kassiert und die Flüchtlinge ihrem Schicksal überlassen. Keine Frage: Die modernen Menschenhändler sind Geschäftemacher. Sie an Moral oder Verantwortung zu mahnen, ist ähnlich aussichtslos wie Heroindealer mit der Statistik der Drogentoten von ihrem Handwerk abbringen zu wollen.

Doch auch etwas anderes ist verantwortungslos: Der Irrglaube der Politik, man könne das Problem der Flüchtlingsschlepper mit noch schärferen Sanktionen lösen. Um ein Drittel, so hat Innenminister Kanther gestern angekündigt, soll die Personalstärke des Bundesgrenzschutzes an Deutschlands östlichem „Schutzwall“ aufgestockt werden. Damit soll den „gut organisierten Schlepperbanden“ das Handwerk gelegt werden.

Doch ähnlich wie jede Verschärfung der Drogenpolitik werden schärfere Kontrollen auch hier nur den Kreislauf beschleunigen. Die Ware wird knapper und teurer, die Lage derer, die von ihr abhängig sind, immer elender und lebensbedrohlicher. An den gesellschaftlichen Bedingungen, in denen Menschen für Sucht und Flucht ihr Leben aufs Spiel setzen, ändert sich nichts. Die unheilige Allianz zwischen einer Politik und denen, die sie vorgibt zu bekämpfen, wird nur noch enger geschmiedet. Vera Gaserow