Hebron-Attentäter gilt als gestört

■ Mitarbeiter des Jugendamtes hatten vor der Einberufung Noam Friedmans gewarnt

Jerusalem (taz) – Die israelischen Armee ist vor dem Hebroner Attentäter Noam Friedman gewarnt worden. Der 19jährige Soldat hatte am Mittwoch auf dem Markplatz der Stadt in die Menge geschossen und sechs Palästinenser verletzt. Bereits vor anderthalb Jahren, im Mai 1995, lag dem Einberufungsministerium der ein Schreiben des Jugendamtes von Ma'ale Adumim vor, der Siedlung am Stadtrand von Jerusalem, in der Friedman lebt. Die Mitarbeiter der kommunalen Einrichtung warnten darin, Friedman zur Armee einzuziehen, weil er sich in psychiatrischer Behandlung befunden hatte. Unter anderem heißt es in dem Brief an das Ministerium, den gestern die orthodoxe Zeitung Yom Hashishi veröffentlichte, es sollte „sorgfältig geprüft werden, ob dieser Mann einberufen werden sollte, und besonders, ob ihm eine Waffe an die Hand gegeben werden sollte“.

Diesem Schreiben zufolge waren die Mitarbeiter in Ma'ale Adumim entsetzt, als sie im Mai vergangenen Jahres von Friedman selbst erfuhren, daß dessen Zurückstellung aufgehoben wurde und er nun doch eingezogen werden sollte. Friedmann sei in die Behörde gekommen und habe erklärt: „Sehen Sie, wie ich die ausgetrickst habe? Jetzt werden die mir eine Waffe geben, um Araber zu erschießen.“

Die Eltern von Noam Friedmann erklärten, sie seien „schockiert“ von der Tat ihres Sohnes. Seine Mutter Riva Friedman entschuldigte sich ausdrücklich bei den Opfern des Feuerüberfalls in Hebron. Von einer möglichen Verbindung ihres Sohnes zu rechtsgerichteten Gruppen sei ihr nichts bekannt: „Ich weiß nicht, was mit meinem Sohn passiert ist.“

Unverständnis äußerte auch Motti Elon, der Leiter einer Jerusalemer Oberschule, die Friedmann besucht hat. Er verstehe dessen Einberufung überhaupt nicht, es habe zu viele Anhaltspunkte für ein auffälliges Verhalten des Jugendlichen gegeben: „Die roten Lampen hätten aufleuchten müssen.“ Nach dem Abschluß der Schule vor drei Jahren, sagte Elon weiter, sei Friedmann in keiner Weise fähig gewesen, sich in irgendeinen sozialen Rahmen einzufügen. Bei Friedmann handele es sich um einen „gestörten jungen Mann“, der schwerwiegende psychische Probleme habe. Ihm, Elon, stelle sich die Frage, was Friedman in der Armee zu suchen hatte und warum die Armee seinen Zustand „ignoriert“ hätte.

Der israelische Militärstaatsanwalt hat mittlerweile die Militärpolizei beauftragt, Friedmanns Wehrdienstzeit, seine Einberufung und die Frage seines Gesundheitszustandes zu untersuchen. Wolfgang Gast