Von Reichen und Superreichen

Wenn es an konjunkturbelebender Nachfrage fehlt, so liegt das nicht am mangelnden Geld. Flick, Kopper und Co. haben jedenfalls genug davon  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – „Als man mich in einer Hauptversammlung nach meinen Bezügen fragte, habe ich zur Überraschung meiner Kollegen mein festes Gehalt und die Tantiemen präzise genannt: 28.000 Mark.“ Der auskunftsfreudige Gehaltsempfänger heißt Hermann Josef Abs, und Auskunft gab er der Zeitung Die Welt. Abs weiter: „Ein Einkommen von 28.000 Mark! Dies sei unglaublich. Die Russen hätten völlig recht, gegen den Monopolkapitalismus anzugehen. Ich fragte meine Kritiker, ob sie schon mal im russischen Staatszirkus gewesen seien. Dort gebe es einen Mann namens Popow. Der verdiene das Gleiche. Ich fühle mich einem Clown absolut gleichberechtigt.“

Nun hat sich seit dem Jahre 1975, in dem Abs interviewt wurde, vieles geändert; aber auch in unseren Tagen verdienen sämtliche Konzernchefs und einige wenige Clowns bemerkenswert viel. Allerdings hat nicht allein der Inflationsausgleich die Spitzengehälter in neue Dimensionen katapultiert.

Ein Beispiel aus der Unterhaltungsbranche: Ein mittelmäßiger Fußballspieler der Bundesliga, noch jung an Jahren und bis dahin nicht einmal Nationalspieler, unterschrieb einen Vertrag beim Hamburger Sportverein, der ihm ein Jahreseinkommen von 750.000 Mark sichert. Was sind dagegen die 28.000 Mark, die ein Abs monatlich verbuchen konnte?

Immerhin, sein aktueller Nachfolger, Hilmar Kopper, erhält als Sprecher der Deutschen Bank pro Jahr 1,5 Millionen Mark – hinzu kommen seine Bezüge aus Aufsichtsmandaten. Kopper gehört damit zu den 16 Prozent der westdeutschen Geschäftsführer, die jährlich mehr als eine halbe Million Mark kassieren.

Damit liegt der Großbanken- Chef aber noch weit unterhalb der Einkommen solch verdienter Sportgrößen wie Boris Becker und erreicht bestenfalls das Niveau eines anderen bekannten Rhetorikers, nämlich von Lothar Matthäus. Immerhin verdient der „Unwort des Jahres“-Schöpfer Kopper („Peanuts“) ungleich mehr als Helmut Kohl, der in diesem Jahr ein Kanzler-Gehalt von kaum 350.000 Mark plus Nebenkosten bezieht.

Die Reichen sind allerdings eine kleine Minderheit. Auf die wenigen Zeitgenossen, die 100.000 Mark und mehr verdienen, entfallen über 25 Prozent sämtlicher Einkünfte in Westdeutschland, ermittelte Ernst-Ulrich Huster, Politologe an der Evangelischen Fachhochschule Bochum. „Das obere Drittel der privaten Haushalte verfügt über fast 60 Prozent der Einkommen!“

Jedoch, nichts bleibt, wie es war, und es wird noch schlimmer. Der Anteil von Löhnen und Gehältern am Volkseinkommen sinkt – und der Gewinnanteil steigt: Das Rekordminus von 22 Prozent im Jahr 1981 ist längst finstere Vergangenheit. Aktuell liegt der Anteil der Einkünfte aus „Unternehmertätigkeit und Vermögen“ bei hochkomfortablen 28,4 Prozent. Und die Umverteilung des Reichtums schreitet fort. „Auch ein Verdienst der Wirtschaftspolitik, die sich erfolgreich um eine Verbesserung der Angebotsbedingungen in der westdeutschen Volkswirtschaft bemühte“, bemerkte dazu die Deutsche Bundesbank und hatte den Blick fest auf die Kohlsche Wende und die folgende Gewinnexplosion gerichtet.

Die Minderheit mit überschwellendem Reichtum ist eigentlich knauserig, heißt es. Immerhin schenkt sie der Gesellschaft erhebliche soziale, politische und ethische Probleme. Jedoch schlummern in der mißlichen Vermögensverteilung auch Chancen für die Zukunft der Bundesrepublik: Der volkswirtschaftlich so dringend gebotenen Erhöhung der Nachfrage steht manches im Wege, aber nicht ein Mangel an Einkommen und Vermögen.

Deutschland ist reich, und es wird immer reicher. „Nach Abzug der Verpflichtungen verbleibt für die westdeutschen Privathaushalte ein Reinvermögen von acht Billionen Mark.“ Hinzu kommt etwa eine halbe Billion in Ostdeutschland. Der Schatz besteht zur Hälfte aus Geldvermögen, schätzt die Bundesbank.

Reich ist aber nur eine Minderheit. Lediglich zehn Prozent der Bundesbürger besitzen das halbe Deutschland. Einer dieser Reichen ist Max von Baden. Geldsorgen quälen den Markgrafen und die Seinen trotzdem. Notgedrungen verkaufte das alte Fürstengeschlecht sein Schloß in Baden-Baden. Aber solchen finanziellen Engpässen zum Trotz – es verbleibt genügend: Der aktuelle markgräfliche Besitz soll 5.000 Hektar an Wald und landwirtschaftlicher Nutzfläche umfassen, dazu Weinberge und Obstbaumplantagen. Demgegenüber besitzt der durchschnittliche Bauernhof in Baden-Württemberg lediglich 15 Hektar. In den gängigen Hitlisten der Reichen und Superreichen taucht Max von Baden nicht auf, dafür aber die alten Konzernfamilien: Quandt, Henkel, Flick oder Schickedanz.

Ihnen werden jeweils einige Milliarden Mark zugeschrieben. Diese alten Reichtümer existieren zwar noch, aber nicht mehr ihre Reiche: Die frühere Verfügungsgewalt über Fabriken und Konzerne ist verschwunden. So ist der Flick-Konzern in Einzelteile zerlegt worden, über die jetzt andere verfügen als Herr Flick. Er erhielt dafür tröstliche fünf Milliarden Mark.

Die anderen, das sind Manager wie der oberste Deutschbanker, der Manager Hilmar Kopper. An Flick gemessen ist Bankboß Kopper jedoch ein armer Schlucker. Aber er hat die Macht, und er gebietet über die wahren Reichtümer in deutschen Landen. Kopper und seine Vorstandskollegen verwalten laufende Geschäfte von fast 800 Milliarden Mark. Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt muß sich mit deutlich weniger als 500 Milliarden Mark begnügen, und die deutsche Ernährungsindustrie schafft gerade mal einen jährlichen Umsatz von 200 Milliarden Mark. Nun sind die Bankmilliarden, wenngleich der Deutsche- Bank-Vorstand allein über sie verfügt, von der werten Kundschaft geborgt. Gehören tut der Bank aber der eigene Schatz, beispielsweise ihre Gewinne: Im Geschäftsjahr 1995 wurden immerhin 2,1 Milliarden Mark erwirtschaftet – nach Steuern.

Solche Erfolgsmeldungen verlauten aus Industrie und Gewerbe heutzutage seltener. Der deutsche Mittelstand leidet ohnehin unter einer im internationalen Vergleich zu dünnen Kapitaldecke. Das macht ihn krisenanfällig. Aber selbst Großunternehmen können in die Krise schippern wie der Vulkan. Und doch zeigt gerade manche Konzernkrise, wie gewaltig der tatsächliche Reichtum ist. So vermeldete die Metallgesellschaft, der zeitweilige Inbegriff eines Krisenkonzerns, nur ein Jahr nach seinem Fastkonkurs schon wieder schwarze Zahlen. Und Daimler- Benz versteckte hinter einem dicken Bilanzminus von einer Milliarde Mark aus „betrieblicher Tätigkeit“ allein 1,2 Milliarden an Rückstellungen für den Personalabbau. Die „flüssigen Mittel“ werden zudem mit über elf Milliarden Mark angegeben.

Nicht nur Banken und Versicherungen, sondern auch die deutsche Industrie ist Sparer. Es ist also mehr Kapital vorhanden, als für Investitionen verbraucht wird. Allein die Einlagen bei in- und ausländischen Finanzinstituten summieren sich in der Bundesbankstatistik auf 985 Milliarden Mark. Am Ende wird gespart. Es fehlt an profitablen Anlagefeldern außerhalb der Finanzmärkte – und der Kultur. So ist die Deutsche Bank mittlerweile weltweit der größte Besitzer zeitgenössischer Kunst. Allein 1.900 Papierarbeiten verkleiden die Flure der vom Volke „Soll und Haben“ genannten Hochhaustürme der Frankfurter Zentrale. Dort hängt im 37. Stockwerk auch Joseph Beuys' „La rivoluzione siamo noi – die Revolution sind wir“.