„Wir können doch nicht alle Probleme lösen“

■ Norbert Geis (CSU), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Recht der Unionsfraktion, über das CSU-Thesenpapier zur Ausländerpolitik: Nicht wir, die Realität heizt die Stimmung an

taz: Herr Geis, zwei CSU-Bundestagsabgeordnete fordern in einem Thesenpapier, das auf der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth verabschiedet werden soll, den Zugang von Ausländern zum Arbeitsmarkt zu beschränken. Ist es nicht gefährlich, das Thema Arbeitslosigkeit auf die Frage der Ausländer zuzuspitzen?

Norbert Geis: Das stimmt doch so nicht. Meine Partei greift ein Problem auf, das in weiten Teilen der Bevölkerung diskutiert wird. Es ist doch eine Tatsache, daß der Anteil arbeitsloser Ausländer stark angestiegen ist.

Die Arbeitslosigkeit betrifft aber Ausländer wie Deutsche gemeinsam.

Das ist ja richtig. Aber wir können doch nicht alle Probleme der Welt hier lösen. Jeder Ausländer, der kommt, erhöht die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Die Ausländerproblematik ist ein Teil des Gesamtaspekts Arbeitslosigkeit, das wir nicht vernachlässigen dürfen.

Aber ähnlich der Asyldebatte wird doch durch die Veröffentlichung solcher Thesen die Stimmung angeheizt.

Das glaube ich nicht, und das ist auch nicht die Absicht der Autoren. Nicht unser Thesenpapier, sondern die schlichte Realität heizt die Stimmung an. Die Sozialausgaben für arbeitslose Ausländer steigen seit Jahren an. Solche Zahlen werden von Teilen der Bevölkerung aufmerksam registriert und könnten manche Wähler in politische Richtungen treiben, die wir alle nicht haben wollen. Daher bin ich froh, daß die CSU als eine der ersten demokratischen Parteien dieses Thema prononciert aufgreift. In weiten Bereichen der SPD gibt es doch ähnliche Diskussionen.

Die SPD hat vor geraumer Zeit einen Stopp deutschstämmiger Aussiedler gefordert. Man wird den Eindruck nicht los, mit der Formulierung der Zugangsbeschränkung von „Nicht-EU-Ausländern“ im CSU-Thesenpapier ist genau diese Gruppe gemeint.

Das Papier handelt von Ausländern, nicht von Aussiedlern. Selbstverständlich ist der Zuzug von Aussiedlern ein Problem. Wir sind daher froh, wenn den Aussiedlern in ihren Heimatländern die Chance zum Bleiben gegeben wird.

Müßte die CSU nicht in der Aussiedlerfrage einen deutlichen Schnitt machen?

Dafür müßte Artikel 116 GG geändert werden.

Die Verfassung hat man auch im Zusammenhang mit der Asylregelung geändert...

Aber bei den Aussiedlern geht es doch nicht nur um die Menschen aus Osteuropa. Immerhin gibt es doch auch Deutschstämmige in anderen Teilen der Welt, die durch eine Änderung des Artikels 116 (Staatbürgerschaftsrecht — Red.) einen Nachteil erleiden würden. Nur weil wir in Rußland ein Problem haben, können wir nicht an die Verfassung herangehen. Zumal die Aussiedler – zumindest in der Vergangenheit – zu der Gruppe gehörten, die unsere Wirtschaftskraft gestärkt haben.

Was passiert für den Fall einer EU-Ausweitung nach Osteuropa? Dann haben wir ein neues Problem. Wenn mehr Staaten der Europäischen Union beitreten, muß die Frage des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt mit bedacht werden.

Bereitet sich die CSU schon jetzt auf den Bundestagswahlkampf 1998 vor?

Der CSU geht es primär darum, ein Problem zu lösen. Je schneller das geschieht, desto besser. Wenn sich dadurch unsere Wahlchancen erhöhen, soll mir das auch recht sein. Interview: Severin Weiland