Visionäre ab in die Wüste
■ Das Umweltbundesamt soll nur noch duckmäusern
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berliner Umweltbundesamtes (UBA) sind sauer. Nicht nur, daß in der vielleicht wichtigsten Denkfabrik der Bundesregierung jedes Jahr Stellen und Millionen im Etat gekürzt werden. Jetzt will man ihnen auch noch das Denken verbieten.
Anders als die meisten nachgeordneten Behörden der Bundesregierung hat das Umweltbundesamt seit seiner Gründung die Freiheit zum Nachdenken und Provozieren genutzt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Berlin versuchten zu ergründen, was für den Umweltschutz und die Lebensqualität im Lande gut und richtig ist. Der erste Präsident des Amtes, Heinrich von Lersner von der FDP, und sein langjähriger Minister Klaus Töpfer (CDU) spielten mit diesen Erkenntnissen häufig genug Doppelpaß. Die Experten des UBA sagten das, was Minister Töpfer aus politischen Opportunitätsgründen nicht mehr sagen wollte oder durfte. Im Gegenzug hielt Töpfer ihnen den Rücken frei.
Das ist anders, seit Angela Merkel den Ministerposten übernommen hat. Offenbar kann sie mit einem solch unabhängigen Amt im eigenen Haus nicht umgehen. Auch das Doppelpaßspiel zur kritischen Information der Öffentlichkeit ist ihr fremd. Bälle werden bestenfalls noch mit dem Kanzleramt hin- und hergeschoben.
Das Ergebnis bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UBA direkt zu spüren. Merkels Ministerium erhöht den Konformitätsdruck; der Staatssekretär fürs Grobe, Eberhard Jauck, ließ die Namen allzu selbständiger Mitarbeiter des UBA die Runde machen. Und immer häufiger mischt sich das Ministerium in Besetzungsfragen des Amtes ein.
Denkverbote für hochqualifizierte, hochbezahlte und bislang auch hochmotivierte Regierungsexperten sind schon an sich peinlich. Zum Ärgernis aber werden sie dadurch, daß die Regierung hier das Nachdenken über die Zukunft unterdrückt.
Von Kanzler Helmut Schmidt ist aus der Spätphase seiner Regierung der Ausspruch „Wenn Sie Visionen haben, gehen Sie zum Arzt“ überliefert. Die Gängelung des Umweltbundesamtes ist ein hartes Indiz dafür, daß die geistige Selbstverstümmelung der Regierung Kohl kraß voranschreitet. Hermann-Josef Tenhagen
