Das Alptraumschiff

■ Robert Atzorn ist „Der Kapitän“ (ab Sa., 20.15 Uhr, ZDF)

„... eine Art Labskaus aus ,MS Franziska‘ und ,Traumschiff‘“, so faßte Ragna Reissert ihre Eindrücke von den Dreharbeiten zum ZDF-Fünfteiler „Der Kapitän“ in der taz vom 26. Juni 1996 zusammen: „Von allem ein bißchen, aber die genaue Konsistenz bleibt im dunkeln.“ Ab heute abend kann man nun das Ergebnis in seiner ganzen Farbenpracht bestaunen. Und hinzufügen, daß dem traditionellen Resteessen auch eine gehörige Portion „Das Boot“ und „Auf Achse“ untergemischt wurde, bis es als „starker Fernsehspiel-Mehrteiler“ aufgetischt werden konnte.

Anders als in den großen TV- Epen „Der große Bellheim“ (1993) und „Der Schattenmann“ (1996) haben wir es beim diesjährigen Jahresauftakter nämlich nicht mehr mit einem einzigen, fünfmal 90minütigen Spannungsbogen zu tun, sondern mit fünf einzelnen. Die jedoch wüßten die je anderthalb Stunden kaum auszufüllen, wären da nicht einige notdürftige Plotverzögerungen und eine eher dürftige Heimathafen-Rahmenhandlung und, nicht zu vergessen, Robert Atzorn. Außer den üblichen „Traumschiff“-Verdächtigen kann vom sonst ZDF-üblichen Staraufgebot nämlich keine Rede mehr sein. Geblieben ist von der Herrlichkeit der Vorjahre allein das männliche Sujet, in dem Männer ihre Willens- und Durchsetzungskraft demonstrieren und Frauen geliebt, entführt oder freigekauft werden, so sie nicht, wie Harmsens Seemannsbraut, daheim zum Eheretter rennen.

Da fährt der Kapitän lieber gleich wieder zur See, könnte aber auch wie Jesus „übern See gehen“, so ohne Fehl und Tadel ist seine Rolle angelegt. Ob Giftmüll und Umweltschützer, Militärschrott und Versicherungsbetrüger, Rauschgift und Meuterer oder Terroristen an Bord sind – der Käpt'n hat davon nichts gewußt. So muß der über alle moralischen Abgründe erhabene Atzorn-Kapitän Folge für Folge retten, was das Drehbuch ihm einbrockt: als Atzorn wie gewohnt mit routiniertem Charme und Können, und als Kapitän mit viel Menschlich-, Männlichkeit und Tugend, bis alles wieder heil ist.

Nur einmal, in Folge 2, wird Harmsens Sohn Thomas ertrinken; das ist schlimm, gibt ihm andererseits aber noch mehr Verständnis für die vielen Verfehlungen anderer Sünder. Und außerdem bleibt ihm ja, für Folge 4, noch Tochter Anita zum Entführtwerden. Christoph Schultheis