Zaires Diktator in Bedrängnis: Rebellen schlagen Armee in die Flucht

■ Zurückweichende Soldaten plündern im Norden Zaires eine Stadt nach der anderen. Mobutu reist aus – nach Marokko

Brüssel (taz) – Nur wenige Wochen nach der Rückkehr von Präsident Mobutu nach Zaire gerät das Regime zusehends in Bedrängnis. Die Rebellen im Osten des Landes rücken immer weiter vor. Mobutu selbst ist am Mittwoch nach Marokko gereist, um seinen Freund König Hassan II. um brüderliche Hilfe zu bitten.

Nach Mobutus Rückkehr nach Zaire am 17. Dezember hatte die Regierungsarmee eine Offensive in Richtung auf das von den Rebellen gehaltene Bunia gestartet, wo ein wichtiger Flughafen liegt. Die Regierungsarmee setzte 4.000 Soldaten ein. Bei sechstägigen Kämpfen starben davon 300, die anderen traten nach Weihnachten geschlagen die Flucht nach Westen an und ließen ihre schweren Waffen zurück. Gleichzeitig verkündete Rebellenführer Laurent Kabila, man habe auch weiter südlich am Tanganjikasee eine Regierungsoffensive abgewehrt.

Das Scheitern der zairischen Armee bei Bunia war auch auf interne Streitigkeiten zurückzuführen. Der Chef der Präsidialgarde (DSP), General Nzimbi Ngbale, verweigerte dem von Präsident Mobutu neu ernannten Militärchef General Marc Mahele den Zugriff auf die DSP-Waffenbestände, mit denen Bunia erobert werden sollte. Die DSP ist der einzige gutausgerüstete Teil der zairischen Streitkräfte. Mahele drohte daraufhin mit dem Rücktritt. Möglicherweise ist der Streit jetzt beigelegt: Zu Beginn des neuen Jahres verkündete Zaires Verteidigungsminister Likulia Bolongo die Vorbereitung einer „totalen und überwältigenden Gegenoffensive“, bei der die Armee „alle notwendigen strategischen und logistischen Mittel“ einsetzen könne.

Bisher ist davon nichts zu sehen. Die Rebellen dringen immer weiter nach Westen vor. Am 2. Januar erreichten sie Wamba, mehr als 300 Kilometer westlich von Bunia. Zugleich verkündete die ADFL die vollständige Einnahme des riesigen Goldkonzessionsgebiets Kilo-Moto, das sich von Bunia bis nach Iziro erstreckt. Die in den Städten Iziro, Buta und Aketi stationierten Regierungstruppen sind geflohen, nicht ohne vorher gründlich zu plündern. Einige ziehen nun Richtung Bumba, von wo aus sie per Schiff in die zairische Hauptstadt Kinshasa gelangen wollen. Andere gehen nach Kisangani, in die zweitgrößte Stadt Zaires. Ein italienischer Priester vor Ort schreibt: „Sie kommen mit blutverschmierten Händen, ihre Wagen sind vollbeladen mit den Früchten ihrer Untaten.“

In Iziro muß die Regierungsarmee regelrecht in Panik geraten sein. Einfache Soldaten nahmen einen Leutnant als Geisel und verlangten per Funkkontakt nach Kisangani ein Flugzeug. Ansonsten würden sie den Leutnant hinrichten. Ihre Forderung hat wenig Chancen, erfüllt zu werden, da die zairische Armee kaum über Flugzeuge verfügt. Ein Mobutu nahestehender Geschäftsmann, Bemba Saolona, hat zwar kürzlich einige alte sowjetische Luftfrachter per Leasing akquiriert – aber weder er noch die Geschäftsmänner, Politiker und hohen Militärs in Zaire werden ihre Privatflugzeuge in den Kriegszonen riskieren wollen.

Der gesamte Nordosten Zaires ist übereinstimmenden Berichten zufolge in Aufruhr. Aus Iziro sind über hundert Priester und Kirchenmitarbeiter, darunter der Bischof, vor den Soldaten in den Busch geflohen. Nach Angaben des italienischen Priesters ist in Buta ein deutscher Missionar umgebracht worden. Die deutsche Botschaft in Zaire kann das nicht bestätigen, will aber am Wochenende einen Emissär nach Buta schicken. Das Auswärtige Amt in Bonn soll allen deutschen Hilfsorganisationen empfohlen haben, die Provinzen Oberzaire und Maniema – also das nordöstliche Viertel von Zaire – zu meiden.

Aus Lubutu, östlich von Kisangani auf der Straße nach Goma gelegen, ist die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen abgezogen, obwohl sich dort nach Angaben von Cap Anamur 150.000 Bürgerkriegsflüchtlinge befinden. Kolonnen von Flüchtlingen bewegen sich auf Kisangani zu, wo die Lebensmittelpreise ins Unermeßliche steigen – die Agrargebiete in der Ostprovonz Kivu und der Nordprovinz Oberzaire, aus denen Kisangani sich normalerweise versorgt, sind in Rebellenhand. Hungersnöte drohen. Das Internationale Rote Kreuz hat sich jedoch aus der Stadt zurückgezogen, weil nicht einmal die dort stationierte Präsidialgarde noch die Ordnung wahren kann.

Westliche Diplomaten in Kinshasa sind von dem Vordringen der Rebellen völlig überrascht. Sie dachten eher, daß die ADFL versucht, ihre Bastionen in Kivu nahe den Grenzen zu Uganda und Ruanda zu konsolidieren. Aber nachdem die Rebellen zunächst nur 6.000 Kämpfer hatten – gegenüber 60.000 Regierungssoldaten –, haben sie in den letzten Monaten Tausende Neuzugänge verzeichnet. Werbung für sie macht vor allem die Regierungsarmee selbst, deren Übergriffe die Bevölkerung dazu bewegen, die Ankunft der Rebellen als Befreiung zu empfinden. François Misser