Einberufung – das ist ja zum Kühemelken!

■ Der 24jährige Landwirt Bernd Wolters aus dem Emsland ist vorgestern zur Bundeswehr eingezogen worden. Zur Kaserne kam er pünktlich – mit sechs Kühen im Viehtransporter

taz: Herr Wolters, sind Sie jetzt in der Kaserne?

Bernd Wolters: Nein, zu Hause. Ich bin zwar gestern um 14 Uhr eingerückt, konnte aber um 16 Uhr wieder nach Hause gehen. Schließlich standen ja sechs meiner Kühe vor dem Kasernentor.

Wieso das denn?

Ich bin Landwirt und wollte darauf aufmerksam machen, daß durch den Wehrdienst die Existenzgrundlage meiner Familie bedroht ist.

Mein Vater ist 1990 gestorben, meine Mutter kann seit einer Hüftoperation nicht mehr richtig laufen. Also muß ich den Hof allein bewirtschaften.

Wie groß ist Ihr Hof?

Ich habe 15 Kühe, 60 Schweine und 35 Hektar Land. Jetzt im Winter müssen die Tiere gefüttert und gemolken werden, außerdem muß das Futter besorgt werden. Das ist bei diesem Wetter ziemlich mühsam, denn es ist ja alles eingefroren. Aber das ist noch nicht alles: Schließlich muß der Betrieb am Laufen gehalten und das Management organisiert werden. Alles in allem arbeite ich jeden Tag mindestens von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends.

Beim Bund geht es nur bis vier, da würden Sie doch gut bei wegkommen.

Ja, wenn es nur das wäre. Aber wenn ich nicht mehr auf dem Hof bin – wer soll dann die Arbeit machen? Abgesehen davon kann ich von dem Sold nicht leben. Der liegt bei etwa 400 Mark im Monat. Das reicht natürlich hinten und vorne nicht. Die wirtschaftliche Situation für meine Mutter, den Hof und für mich wäre untragbar. Seit sieben Jahren liege ich deswegen mit der Bundeswehr im Streit.

Und wieso sind Sie jetzt doch einberufen worden?

Das Kreiswehrersatzamt in Meppen hat mitgeteilt, daß beim Arbeitsamt in Nordhorn drei Hilfskräfte zur Verfügung ständen. Die sollten den Hof für die Zeit meines Wehrdienstes bewirtschaften. Allerdings hat sich herausgestellt, daß das eine falsche Information ist.

Irgendwelche Leute sollen Ihren Hof übernehmen?

Ja, stimmt. Allerdings weiß niemand, wer die bezahlt. Ist sowieso alles völlig unklar. Keiner weiß, wie das funktionieren soll. Klar ist nur, daß jemand tag und nacht auf dem Hof sein muß.

Müssen Sie denn heute noch in die Kaserne?

Das ist noch nicht raus. Ich soll mich nachher noch mal telefonisch melden. Die Vorgesetzten in der Kaserne sind ziemlich hilfsbereit, auch die Kameraden standen gestern alle hinter mir. Immerhin, ich durfte nach Hause und letzte Nacht auch hier im Haus übernachten. Heute habe ich einen Tag Sonderurlaub, um mich um eine Hilfskraft zu kümmern.

Glauben Sie, daß Sie nach sieben Jahren Streit ausgerechnet am heutigen Tag noch etwas erreichen können?

Wohl nicht. Ich weiß nicht, wie das jetzt alles weitergehen soll. Ich wollte jetzt in meiner Mittagspause telefonieren, komme aber kaum dazu, weil ständig irgendwelche Journalisten anrufen.

Dann will ich Sie nicht länger stören. Vielen Dank und viel Erfolg! Interview: Florian Gless