Punktsieg für Zajedno

■ Belgrad bietet durchsichtigen Kompromiß

Der Protest auf Belgrads Straßen wird nicht im Jubel ersticken. Auch wenn die Demonstranten jetzt ihren ersten zählbaren Erfolg feiern können. Am 45. Tag ihres „Spaziergangs“ hat Serbiens Präsident Milošević eingelenkt. Zumindest ein bißchen: Die Regierung will den Wahlsieg der Opposition in der Hauptstadt und drei anderen Städten anerkennen. Zajedno-Führer Djindjić könnte endlich das Amt des Belgrader Bürgermeisters antreten. Doch er wird es nicht tun, auch wenn die Anerkennung des Wahlsieges der Opposition in der Hauptstadt einen hohen Symbolwert hat. Milošević hat längst zu viele Fehler gemacht. Und seine neue Taktik ist einfach zu durchsichtig. Ein paar Zuckerstückchen für die Opposition und die OSZE. Damit läßt sich jetzt kein Staat mehr machen. Und keine Opposition zufriedenstellen. Gewiß, Milošević ist eingeknickt. Vor dem Protest im eigenen Land. Vor dem Protest aus dem Ausland. Und vor dem Protest aus Jugoslawiens Bruderstaat Montenegro. Aber keineswegs aus politischer Einsicht oder gar demokratischer Überzeugung. Der eiskalte Taktiker hat nur eins im Sinn: Seine Macht sichern, das Präsidentenamt behalten, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr vom Stuhle des großmütigen Landesvaters aus zu bestreiten, der seinem Volk nur Gutes will. Und das selbst seinen ungehorsamsten Untertanen nicht völlig vorenthält.

Gewalttätig niederschlagen aber kann Milošević die Opposition immer noch. Auch wenn sogar er ahnen dürfte, daß bürgerkriegsähnliche Zustände über kurz oder lang auch ihn hinwegfegen könnten. Nur deshalb dieser halbherzige und durchsichtige Kompromißvorschlag.

Dem Westen wäre eine derartige Beilegung der Krise noch vor drei Wochen nicht ungelegen gekommen. Eine Destabilisierung Serbiens, die noch immer droht, hätte den Dayton-Prozeß in Frage und das vermeintlich so perfekte Krisenmanagement der Nato in Bosnien auf eine harte Probe gestellt. Aber hinter die Entscheidung der OSZE, den Wahlsieg von Zajedno in 14 serbischen Städten anzuerkennen, kann Europa jetzt nicht mehr zurück. Und das ist gut so. Gegenüber einem der letzten totalitären Regimes auf dem alten Kontinent sind faule Kompromisse nicht angebracht. Georg Baltissen