Auch Wunderkinder kochen nur mit Wasser

■ Bremer Prominenz stürmte am Freitag abend die Garderobe der Pianistin Sophie Mautner / Jubel nicht ganz gerechtfertigt

Die Berlinerin Sophie Mautner steht mit ihren neunzehn Jahren am Ende einer Wunderkindkarriere und am Anfang ihres Weges als Pianistin. Gewiß sind die Übergänge schleichend, müssen es sein. Wie allerdings die Bremer Prominenz nach dem Konzert am Freitag abend im Sendesaal von Radio Bremen die Garderobe der jungen Künstlerin stürmte, zeigt die gefährliche Sensibilität dieser Situation. Weder spielt Sophie Mautner so Klavier, daß eine derartige Anwesenheitshektik gerechtfertigt wäre, noch kann man von ihr erwarten, den hochgesteigerten Erwartungen gerecht zu werden.

Es war ein normaler, zum Teil guter, zum Teil fragwürdiger Klavierabend. Es war keine Sternstunde, die die HörerInnen zu den wildesten Prognosen berechtigen würde, aber es war ein Klavierabend, in dem in jeder Hinsicht viel Können zu hören war. Es wird einzig und allein darauf ankommen, ob es Sophie Mautner gelingt, aus ihrem überragenden Kinderkönnen eine reife künstlerische Profilierung zu entwickeln. Denn nur die kann das Fundament für eine wie auch immer geartete Karriere sein. Zu frühe Exklusivverträge – wie Sophie Mautner bei Sony – schaden da eher.

Sophie Mautner begann – unglücklich – mit der e-Moll-Sonate von Franz Schubert. Neben überraschend vielen Fehlern mangelte es hier vor allem an einem Konzept, das klar gemacht hätte, warum Schubert seine Lyrik so endlos zelebriert. Zwar war deutlich zu merken, daß eine der Begabungen von Sophie Mautner die Gestaltung von unglaublich unterschiedlichen und geradezu samtenen Klangfarben ist, die übergreifenden dramaturgischen Dispositionen des Werkes blieben brav und beliebig.

Für Robert Schumanns „Arabeske“ in C-Dur fiel vor allem auf, mit wie vielen Übergängen, die als vor- und nachhorchende Rubati zu gestalten sind, die Pianistin (noch) nichts anfangen kann. Und in den ABEGG-Variationen verselbständigte sich die virtuoseste Variation geradezu zur inhaltsleeren Etüde. Gut gelangen ihr die Kinderszenen von Robert Schumann, deren knappe Charaktere Sophie Mautner überzeugend faßte. Mit den selten gespielten „Barcarole“ op. 60 und „Fantasie“ op. 49 von Fréderic Chopin zeigte Sophie Mautner ein sowohl von der Virtuosität als auch vom melancholischen erzählerischen Gestus her eine wunderschöne Einheit, wobei etwas störte, wieviele komponierte Pausen sie durch Pedalhaltung überspielt.

Hier ist ihrem Spiel insgesamt noch mehr Radikalität, noch mehr Mut zu Ausdruckextremen zu wünschen. Sophie Mautner beendete ihren Abend mit der Wiedergabe der großen Polonaise in As-Dur von Chopin, die deutlich an die Grenzen ihrer Kondition ging. Herzlicher Beifall. usl