„You're so young, I'm so fucking old“

■ Revival meets Original: Im Lagerhaus rockten die „Trash Monkeys“ und der 66jährige Link Wray generationsübergreifend

„Der ist 68!“ „Der ist doch keine 68!“ „Nee, der ist nämlich gerade 70 geworden!“ „Quatsch, der ist längst über 70!“ So stritten sich die Fans des Rock-Veteranen Link Wray am Samstag im Lagerhaus, als sich die Legende zum Konzert angesagt hatte. Auch wenn niemand das genaue Alter des rüstigen Herren bestimmen konnte, sorgten ganze Heerscharen von VerehrerInnen fürs rechte Sardinengefühl und eine Raumtemperatur, die im krassen Gegensatz zum Rekordwinter vor den Türen stand.

Derart gedrängt und schwitzend galt es zunächst, den Bremer Lokalheroen „Trash Monkeys“ zu huldigen. Das Trio mit personellen Leihgaben von „Agentenmusik“ und „Orange Inn“ hieß bis vor kurzem noch „Hyena King“, davor sicherlich anders und wird sich beim nächsten Auftritt mit großer Wahrscheinlichkeit ein weiteres Pseudonym zulegen. Die Musik hingegen wird stets die gleiche schöne sein: Angetrashter 60's-Pop mit schneidenden Gitarren, Rhythmus-Abteilung aus der Rappelkiste und trotz allem mit glasklaren Melodien. Als die Musik, um die die „Trash Monkeys“ souverän bemüht sind, aktuell war, waren die drei Bremer noch mit Gehen- und Laufenlernen beschäftigt.

Jemand, der damals schon singend und gitarrespielend mit beiden Beinen auf der Bühne stand, ist Link Wray. Wie alt er inzwischen auch sein mag, zu alt für Rock'n'Roll war er am Samstag jedenfalls noch nicht. Und erst recht nicht zu alt für die damit einhergehende Ästhetik. Kamen seine drei jungen Vorheizer in Schlips und Kragen als Schwiegersohnphantasien von damals daher, war Link Wray ganz die klassische Böse-Buben-Versuchung: Schmale Sonnenbrille, Kettchen, schwere Lederjacke, hinten Pferdeschwanz, und das, was vorne noch war, zu einer kecken Tolle zusammengeschmalzt.

Entsprechend forsch auch die Musik. Als Erfinder der verzerrten Gitarre bevor es Gitarrenverzerrer gab, drehte er zunächst an allen Verstärkerknöpfen, damit sie selbst dann fiepsten, wenn gerade keine Saite angeschlagen wurde. Zusammen mit seinen beiden vergleichsweise blutjungen Mitmusikern an Baß und Schlagzeug stürzte er sich in ein atemloses Rhythm'n'Blues- und Rockabilly-Programm. Dabei puschten sich er und sein Bassist immer wieder gegenseitig hoch, so daß jedes Stück in infernalische Instrumentalfinale ausartete.

Das war zwar nicht durchweg musikalisch brillant oder gar abwechslungsreich, sprudelte aber stets vor Energie. Raum für Worte war da wenig: „Happy new year, man!“ gab's zur Begrüßung und ein a cappella gesungenes „You're so young and beautiful and I'm so fucking old“ als Intro zu „I'll be Home for Christmas“. Ansonsten wurde in einem ganz kurzen balladesken Moment Hank Williams gecovert, übers traditionsreiche Rücksitz-Petting gesungen und gleiche mehrere alte Stücke gespielt, die durch Filmsoundtracks wie „Desperado“ und „Pulp Fiction“ ein neues Publikum gefunden haben.

Diese Songs erachtete Wray scheinbar als seine Hits, denn er spielte sie als Zugabe gleich nochmal als Medley. Zu dieser Zugabe, zu der er sich lange und aggressiv bitten ließ, verzichtete er sogar auf die Lederjacke. Die Sonnenbrille aber blieb. Andreas Neuenkirchen