Bauen als soziales Projekt

Gesichter der Großstadt: Carl Steckeweh, Bundesgeschäftsführer des Architektenbundes, will die Nachhaltigkeit des Bauens stärker betonen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Nichts regt Carl Steckeweh mehr auf als schlecht gebaute Häuser. Schnell hochgezogene Container sind ihm ein Graus. Daß es Architekturfabriken gibt, die darauf aus sind, nur noch Konserven zu bauen, ärgert ihn. „Wer Häuser für die Dauer von 15 Jahren baut, kann an Abschreibungsprojekten interessiert sein, aber nicht an qualitätsvoller Architektur“ sagt der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Architekten (BDA).

Mutlos ist Steckeweh aber nicht. Im Gegenteil. Denn gute Architekten gibt es noch genug. „Bei Ungers zum Beispiel sieht man Qualität und Dauerhaftigkeit“, meint er, lehnt sich gemütlich auf dem Sitz zurück und stopft die Pfeife.

Was bleibt, ist dem Bundesgeschäftsführer des BDA wichtig: ein guter Stuhl für sein Büro im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ), „Behausungen, aus denen man nicht fliehen will“, die qualmende Pfeife als Mitgift intensiver Kommunikation und eine Flasche Wein mit Freunden und Bekannten. „Wir müssen heute die Welt von Morgen bauen. Dafür ist es nötig, sich Zeit zu lassen und Geduld zu haben.“

Die besseren Häuser baut Steckeweh nicht selbst. Für ihn geht es darum, „die notwendigen Bedingungen zu schaffen“. Die Latte für „gute Bedingungen“ legt Steckeweh für sich selbst wie auch für die rund 5.000 Mitglieder des Verbandes hoch. „Manche glauben, der BDA sei ein Verein von Pfeffersäcken, die sich über Honorarordnungen, Bauvorschriften und die Rolle von freien Architekten unterhalten. Nach dem Fall der Mauer ist der BDA ein anderer geworden. Er ist aus seiner Agonie aufgewacht. Ihn handlungsfähig zu machen als Verband, für den es wichtig ist, daß neue Formen des gesellschaftspolitischen Bezugs von Architektur entstehen, ist meine Hauptaufgabe.“

Das andere Bild des BDA wird für Steckeweh nicht unwesentlich durch seinen Sitz im Architekturzentrum Köpenicker Straße symbolisiert. Das ehemalige Fabrikgebäude an der Spree, das mit privaten Mitteln saniert und 1995 eröffnet worden war, gibt nicht nur dem BDA, Architekturbüros und Landschaftsplanern Raum. „Das DAZ ist als öffentlicher Ort mitten in der Stadt für alle, die etwas mit Bauen in der Stadt zu tun haben, aufgebaut und angenommen worden“, sagt er und verweist auf 28.000 Besucher im Jahr 1996 sowie 131 Veranstaltungen, Kongresse, Seminare. Wenn 1998 der Bundesverband in Gänze in „einem zweiten Schritt“ endgültig an die Spree übersiedelt, soll dies der Ort in der Stadt werden, „wo man an den Problemen des Bauens ganz dicht dran ist“: Kooperation mit anderen Verbänden, Interessengruppen, der Baupolitik und -wirtschaft.

„Bauen als ganzheitliche Aufgabe zu begreifen und zu vermitteln“, benennt Steckeweh das Ziel des BDA für das Jahr 2000, Kommunikation mit der planenden Basis im Hinblick auf nachhaltiges Bauen sein eigenes. Daß Begriffe wie Bestandssicherung, der Umbau von ausgedienten Industrieregionen zu „neuer gebauter Umwelt“, ökologisches Bauen oder Nachhaltigkeit immer häufiger über seine Lippen kommen, ist nicht nur Programm, sondern liegt auch daran, daß der 48 Jahre alte BDA-Mann selbst vom Land kommt. „Von Hause aus bin ich Landwirt und habe Volks- und Forstwirtschaft studiert.“ Kurz vor seiner Promotion „Der Landwirt als Landschaftspfleger der Region“, holte ihn der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten vom Schreibtisch und machte ihn zum Geschäftsführer des Verbandes. 1984 wechselte Steckeweh zum BDA, „ein problemloser Übergang“, den er bis heute nicht bereut, „weil man hier als Macher das bleiben kann, ohne Fossil zu werden“. Kein Tag sei wie der andere, die Arbeit „unheimlich inspirierend“. Das Wichtigste aber ist, daß Steckeweh das Gefühl bestätigt sieht, „down on earth“, an der Basis mit Architekten, etwas „anschieben“ und manchmal auch verändern zu können. „Wenn einer kommt und fragt, ob wir bei einem Projekt – etwa zur Expo 2000 – mithelfen, das inhaltlich sinnvoll ist, wäre ich doch verrückt, da nein zu sagen.“

Daß sich der Bundesgeschäftsführer manchmal mit Verve in Architekturdebatten wirft, ist bekannt, weniger allerdings, daß er Baukunst als soziale Verpflichtung sieht. „Die Architektenschaft darf sich nicht nur an Projekten hochziehen wie am Potsdamer Platz, Axel Schultes' Kanzleramt oder Fosters Reichstagsumbau. Sondern sie muß sich um die Alltagsarchitektur kümmern: um neue Wohngebäude und -formen, ressourcenschonendes Bauen und um dauerhafte Architektur.“ Aber nicht nur den Baumeistern allein, sondern insbesondere den Investoren und der Bauindustrie kommt dabei besondere Verantwortung zuteil. „Es muß eine Umorientierung in deren Köpfen stattfinden, daß Bauen kollektive Verantwortung bedeutet. Heute, wo wir eine öffentliche Armut und die Eroberung der Stadt durch das private Kapital erleben, muß daraufhingewirkt werden, daß privates Bauen kollektive Verantwortung bedeutet und die Erkenntnisse der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro oder Habitat II auch baupolitisch durchgesetzt werden.“

Mit zwei Experimenten will Steckeweh diese soziale Säule der Architektur stärken: Sowohl die Expo 2000 als auch der Weltkongreß der Architekten in Berlin 2002 sollten sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen.