"Platte produzieren und Kaffee trinken"

■ Die allmähliche Verfertigung des Tracks während des Mixens: Das Wiener DJ-Duo Kruder & Dorfmeister läßt sich viel Zeit für seine Platten. Erst dubben, dann cutten, dann mastern. Die Wiederentdeckung

taz: Euer Album „DJ-Kicks!“, auf dem Ihr Tracks Eurer Wahl wie in einem DJ-Set zusammengemischt habt, besitzt die Dramaturgie eines Filmsoundtracks.

Antwort: Auch wenn wir bloß die Tracks ausgewählt haben: Unser Album ist eine einzige Verbeugung vor dem Kino.

Seid Ihr Cineasten?

Ich denke schon. Ich mag persönlich eher alte Filme wie „Catch 22“ oder „Little Shop Of Horrors“. Wichtig ist, daß die Filme einen Schmäh haben. Und diese Soundtrackidee ist dadurch omnipräsent. Unsere Musik ist wie ein Instrumental. Ich höre mir selbst auch lieber Musik ohne Gesang an. Auch wenn wir auflegen, spielen wir nur selten echte Vocal-Tracks. Also war von vornherein klar, daß wir auf „DJ-Kicks!“ die Tracks ineinander übergehen lassen wollten, Stimmungsböden skizzieren wollten. Daher auch die Idee, im Nachhinein Dub-Effekte in den fertigen Mix zu integrieren, Hall zu addieren, die ganze Klaviatur des Dubbens zu nutzen – um noch einmal den Eindruck zu verstärken, die Tracks wären aus einem Guß. Wir hatten allerdings die Arbeit unterschätzt: Ausgewählt und gemixt haben wir die Tracks bei uns zu Hause. Im Studio haben wir den fertigen Mix am Apple gecuttet. Dann gedubbt, noch einmal gecuttet, schließlich gemastert. Wir sind gnadenlose Perfektionisten. Das ist unser Fluch und unser Segen zugleich.

Eine Wiener Eigenschaft?

Vermutlich. Und Kaffee.

Und Torten.

Und Torten. Deshalb dauern unsere Arbeiten ja auch immer so lange. Wenn wir einen Remix machen, dann machen wir den nicht in zwei Tagen. Der dauert dann zwei Wochen. Und in den Pausen geht's ins Kaffeehaus.

Also ist es keine hippe Hochnäsigkeit, Elvis Costello, den Fantastischen Vier und U 2 einen Korb gegeben zu haben, als diese um Remixe baten?

Das kommt leider so rüber, ist aber nicht so. Wahr ist: Nach einer ganzen Reihe von Remixen haben wir beschlossen, uns nur noch um unser Album zu kümmern. Wir finden das gar nicht super, daß wir die ablehnen. Es ist eher schad', daß wir ka' Zeit haben. Mit den Fantastischen Vier hätte ich zum Beispiel gern etwas gemacht. Ich finde die irgendwie cool.

Eure Grooves sind also das Ergebnis harter Arbeit, nicht das goldener Hände?

Es ist leider Arbeit. Und damit etwas richtig gut wird, muß man immer noch etwas draufsetzen. Und im Idealfall bleibt die Arbeit ein paar Wochen liegen. Erst dann hört man die Schwachstellen. Das ist wie mit Rechtschreibfehlern: Die sieht man ja auch erst nach ein paar Wochen.

Ist die Summe aus wohlbehüteter Kindheit, relaxter Jugend und viel Kaffee Macchiato die Vitalkraft für Eure Musik, den sogenannten SloBeat, eine Spielart des TripHop?

Das Ding ist natürlich, daß niemand, der in Wien Musik macht, von Menschen beeinflußt wurde, die in Wien Musik machen. Es gibt hier keine Tradition und keine Street Culture. Das einzige, was es gibt, sind Shops, die den Kids Street Couture verkaufen. Aber das ist ja nicht das, was ich meine – in Wien wird alles übernommen.

Das ist in anderen europäischen Städten nicht anders.

Aber in Wien ist gar nichts. Unsere Einflüsse kommen aus Englandaufenthalten. Aus dem britischen Radio, Reggae-Sondersendungen, Kiss-FM, Coldcut. Unser Mix aus verschiedenen Stilen, diese Haltung, sich vorurteilsfrei vielen verschiedenen Stilen zu nähern und sich dann das aus unserer Sicht Beste herauszugreifen – das ist durch diese Einflüsse geprägt. Auch dadurch, daß man nicht in einer Clique aufgewachsen ist, die sich einem Tunnelblick verpflichtet fühlt.

Eure erste Platte Ende '93 war Techno-Swing.

Wir haben uns das damals ausgedacht. Wir hatten gar kein Interesse an Einordnungen und Schubladen. Also haben wir die Platte veröffentlicht. Erst die Presse hat uns dann zuerst TripHop zugeordnet und unsere Musik schließlich SloBeat genannt.

Höre ich da Klagen?

Nein, wir verfahren ja auch nicht nach dem Hit-and-run-Prinzip. Mir ist eigentlich völlig egal, wie die Musik heißt, die wir machen. Manchmal klingt es halt nach SloBeat, manchmal nach Drum'n'Bass, manchmal nach Swingbeat. Na und?

Auf den Schreck einen Espresso.

Platte produzieren und Kaffee trinken.

Platte auflegen und Kaffee trinken.

Heurigen trinken. Almdudler trinken.

Almdudler?!

Das ist wie Weinschorle, nur mit süßer Limonade. Das ist ziemlich berühmt hier. Aber die besten Abende haben wir im Ausland gehabt, in Amerika, in Japan, in der Mandarin Lounge in München.

Was ist der Unterschied?

Du wirst als Exot angekündigt und als Exot wahrgenommen. Das wirkt sich positiv auf die Stimmung im Publikum aus. Und wir haben unseren Spaß. Man interessiert sich für uns. In Wien interessiert sich niemand für uns. Die verstehen gar nicht, warum alle Welt jetzt plötzlich auf uns abfährt. Aber ich beklage mich nicht. Wien hat seinen eigenen Reiz.

Und wie kamt Ihr schließlich auf die Idee, Musik zu machen?

Wir machen schon seit einiger Zeit Musik. Der Peter hat in einer HipHop-Band namens „Die Moreaus“ gespielt. „Moreau“ wie Jeanne Moreau. Das war deutsch- österreichischer HipHop – gut, aber nicht so erfolgreich. Und ich spielte in einer Gitarrenband namens „Sin“. „Sin“ wie Sünde. Wurde aber auch nicht sonderlich bekannt. Unsere erste Platte als Kruder & Dorfmeister haben wir ohne irgendeinen Druck, ohne irgendeine Ahnung vom Busineß veröffentlicht, einfach so ins Blaue hinein. Das war eine Superausgangsposition. Das ist das Beste.

Versucht Ihr, diesen State of Mind wiederzufinden?

Ständig. Das ist ein Teil der Arbeit: Keinen Druck mehr zu haben, nur noch für die Musik zu arbeiten, ohne Hintergedanken.

Gibt es keinen Druck von außen?

Da wir bisher alle Angebote von Major-Plattenfirmen abgelehnt haben, nein. Ich habe nie geglaubt, daß das gutgehen kann, drei Alben in drei Jahren – so lauten sie doch, die üblichen Erträge. Unter einem solchen Druck kann doch nichts entstehen. Man bringt zehn Jahre Erfahrung in sein erstes Album ein. Und in die nächsten dann weniger als ein halbes? Wir haben immer nein gesagt. Unser Ziel ist Qualität. Wir sind an organischem Wachstum interessiert. Es ist okay, wenn wir durch die Städte reisen und Platten auflegen. Wenn uns danach mehr Leute kennen, ist das nur gut. Aber I don't believe in hypes.

Und was, wenn nicht ein Hype, passiert derzeit um Euch herum?

Das mußte wohl so kommen und macht mir ziemlichen Spaß. Der Hype wird ja nicht gesteuert. Interview: Maximilian Dax