■ FDP gegen CSU-Vorschläge zur Einwanderungspolitik
: Abklatsch vergangener Tage

Monatelang hatte die FDP auf Finanzminister Theo Waigel eingeprügelt. Am Ende mußte der CSU- Mann zähneknirschend die Senkung des Solidarzuschlags hinnehmen. Die Liberalen zeigten sich danach so entspannt wie lange nicht mehr und feierten ihr neues Image als Steuersenkungspartei. Mit Westerwelle und Gerhard an der Spitze, so schien es, hatte man ein gutes Stück weit Abschied genommen vom liberalen Image einer auf Menschen- und Bürgerrechte verpflichteten FDP. Ausgerechnet die CSU aber hat sich jetzt bitter gerächt: Mit ihren Vorschlägen zur Arbeitsbeschränkung von Nicht-EU-Ausländern nötigte sie die FDP auf das ungeliebte Terrain zurück.

Die Idee, eine fünfjährige Wartezeit auf einen Arbeitsplatz für Nicht-EU-Ausländer einzuführen, sei „nicht zu Ende gedacht“, widerspricht Westerwelle. Damit ist, noch bevor die CSU ihre Thesen in dieser Woche in Wildbad Kreuth verabschieden will, der nächste Konflikt in der Bonner Koalition geschürt. Im Gegensatz zum Steuerstreit wird die FDP wohl diesmal den kürzeren ziehen. Westerwelles Forderung nach einem Zuwanderungsgesetz kommt zu einer Zeit, in der die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine quotierte Aufnahme von Ausländern noch schwieriger als sonst zu erreichen ist. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen liegt die Vermutung nahe, daß die CSU mit ihren restriktiven Vorschlägen den Nerv breiter Teile der Gesellschaft eher trifft als die Befürworter eines längst fälligen Einwanderungsgesetzes.

Zudem wird die Lage der FDP dadurch erschwert, daß nun auch in der CDU Forderungen nach einer Beschränkung ausländischer Landwirtschaftsarbeiter laut werden. Nun steht dieser Vorschlag zwar dem CSU-Ansatz diametral entgegen – gerade sie will ja die Zahl der Saisonarbeiter nicht antasten. Im Tenor aber gleichen sich die Äußerungen aus CSU und CDU, weil sie Zuzugsbeschränkungen für klar umrissene Gruppen wollen. Von einer gesteuerten Einwanderung, die dem Gleichheitsprinzip verpflichtet wäre, ist in den Unionsäußerungen nicht zu vernehmen.

Zu guter Letzt aber steht sich die FDP mit ihrem neuen Bild selbst im Wege. Denn die Liberalen haben sich auf dem Weg zur Wirtschaftspartei eines Gutteils linksliberaler Stimmen entledigt. Westerwelle mag daher als Steuersenker Glaubwürdigkeit gewonnen haben, als Verfechter einer Einwanderungspolitik wirkt er nur als Abklatsch vergangener Tage. Severin Weiland