Korrupten Italienern winkt heimliche Amnestie

■ Italiens Justizminister kündigt ein Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren an

Rom (taz) – Noch vor zwei Monaten hatte der seit Mai amtierende Justizminister Gianni Maria Flick noch großspurig getönt: „Kommt mir ja nicht mit Vorschlägen für Alternativen zu den Korruptionsverfahren. Ich habe im Augenblick Wichtigeres zu tun.“ Mittlerweile aber scheint dieses Problem auch bei ihm Priorität zu haben: Noch im Januar jedenfalls will er einen Gesetzentwurf einbringen, der den mehreren tausend Strafverfahren gegen Bestecher und Bestechliche einen erheblichen Beschleunigungsschub verpassen soll.

Wer sich selbst anzeigt oder beim ersten Verhör seine Schuld uneingeschränkt einräumt, die Schmiergeldsumme zurückgibt beziehungsweise den angerichteten Schaden wiedergutmacht und mit dem Staatsanwalt eine angemessene Strafe aushandelt, wird vorm Kittchen bewahrt. Nach Berechnungen des Ministeriums könnten so die anstehenden gut dreitausend Strafverfahren innerhalb Jahresfrist alle abgeschlossen sein und die Gerichte sich damit auch wieder anderen Delikten verstärkt zuwenden.

Der Vorschlag hat allerdings bereits unmittelbar nach seiner Verkündung teils Hohngelächter, teils Polemiken ausgelöst. Die oppositionelle Rechte behauptet, es handle sich nur um einen Köder für bisher unentdeckte oder uneingeräumte Fälle. Außerdem gehe es um den Versuch, ein paar hundert Millionen zusätzlich ins notleidende römische Staatssäckel zu bekommen. Die äußerste Linke um die Rifondazione comunista dagegen hält den Vorstoß des Justizministers für eine verkappte Amnestie, ähnlich wie schon einmal vor zwei Jahren.

Da hatte der selbst in Verfahren verstrickte Medientycoon Silvio Berlusconi, damals amtierender Regierungschef, ein Gesetz dieser Art einbracht. Nach wütenden Protesten aus der Bevölkerung hatte es Berlusconi dann aber zurückziehen müssen.

Postitiv äußerten sich jedoch die ermittelnden Staatsanwälte, speziell diejenigen der berühmten Sonderkommission „Saubere Hände“ aus Mailand: Sie sehen darin einen ersten Versuch, die Prozeßlawine einzudämmen und dennoch zu Verurteilungen für Straffällige zu kommen.

Justizminister Flick hat seinen Vorschlag inzwischen übrigens nachgebessert: Um den Eindruck eines Gesetzes ad hoc nur für Schmiergeldsünder zu vermeiden, will er das neue Verfahren der Strafaushandlung künftig bei allen Vergehen bis zu einer Höchststrafe von drei Jahren zur Anwendung bringen. Werner Raith