„Operation Schnecke“ legt Belgrad lahm

■ Die Opposition blockiert mit Fahrzeugen das Zentrum der serbischen Hauptstadt und verstärkt den Druck auf Milošević. Belgrads Bürgermeister zurückgetreten

Belgrad (AFP) – Mit einer außergewöhnlichen Aktion hat die serbische Opposition gestern ihren Druck auf Präsident Slobodan Milošević verstärkt. Tausende Autos krochen nach einem Aufruf der Oppositionspolitiker Vuk Drašković und Zoran Djindjić im Schrittempo durch die Straßen der Innenstadt. Gegen die „Operation Schnecke“ kam es zu keinem Polizeieinsatz. Lediglich einige Verkehrspolizisten schauten tatenlos auf das Verkehrschaos und die „Spaziergänger“. „Es ist eine Schande, daß 20.000 Polizisten den Stadtverkehr nicht regeln können“, sagte ironisch Zoran Djindjić, Vorsitzender der Demokratischen Partei, dem Sender B92. Auf diese Weise werde die Gewalt des Apparats „hoffentlich ad absurdum geführt“, sagte er.

Autos, Motorräder und Lkw begannen ab 14 Uhr, hupend und im Schrittempo durch die zu Straßen zu fahren. Viele Fahrer hielten ihre Wagen an Kreuzungen und auf den Fahrbahnen an und täuschten Pannen vor. Sie öffneten die Motorhauben und versuchten den „Schaden“ zu beheben. Hinter den Autos waren Warndreiecke aufgestellt. Am Protestzug nahm auch ein Pferdegespann teil.

Gleichzeitig gingen Zehntausende Menschen auf die Straßen und protestierten mit dem schon üblichen Lärm auf Trillerpfeifen, Trompeten und Trommeln gegen die Annullierung von Ergebnissen der Kommunalwahlen vom November, bei denen die Opposition in mehreren Städten gewonnen hatte. Es war die 46. Demonstration des Oppositionsbündnisses „Zajedno“ in der serbischen Hauptstadt.

Vor der Demonstration hatte „Zajedno“ an die Polizisten appelliert, nachzudenken, ehe sie die Befehle der „sozialistischen Diebe“ ausführen. „Euch hat die sozialistische Führung auf die Straßen geschickt, um ihren Wahldiebstahl zu schützen“, heißt es im Aufruf. „Erlaubt nicht, daß sie Euch in den Konflikt mit dem Volk stürzt, das unter den gleichen schwierigen Umständen lebt wie Ihr.“ „Zajedno“ stehe in keinem Konflikt mit den Sicherheitskräften, versicherte die Koalitionsführung. „Deswegen denkt nach, ehe Ihr die Befehle der Diebe ausführt.“

Wegen des Streits um die Anerkennung der Kommunalwahlen hat Belgrad seit Samstag keinen Stadtrat mehr. Das Mandat des alten Gremiums lief aus, ohne daß es durch ein neues ersetzt wurde. Wie die unabhängige Presse berichtete, legte zudem Bürgermeister Nebojsa Cović aus Protest gegen die Teilannullierung der Kommunalwahl sein Amt nieder. Cović gehört dem gemäßigten Flügel der regierenden SPS an. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Bestätigung für den Rücktritt.