Au revoir, Monsieur Radunski!

■ Wissenschaftssenator Radunskis Frankreichtrip provoziert französische Verhältnisse im Abgeordnetenhaus: Parlamentarier streiken und fordern den Rücktritt des Senators. Auch CDU empört

Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) kommt ernsthaft in Bedrängnis. Im Abgeordnetenhaus wurde gestern eine groß inszenierte Anhörung zum Wissenschaftsetat 97 kurzerhand abgesagt – weil der Senator nicht anwesend war. „Wenn Herr Radunski nicht mehr Wissenschaftssenator spielen will, soll er zurücktreten“, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, Christian Gaebler (SPD).

Radunski weilt noch im Urlaub in Südfrankreich. Möglicherweise kann der Wissenschaftsausschuß den Etat nun nicht rechtzeitig beschließen. Die Sitzung wurde auf Freitag verschoben. Auch die CDU-Abgeordneten sind sauer. „Das kann man auf Dauer nicht hinnehmen“, meinte der Christdemokrat Alfred-Mario Molter mit Verweis auf die laxe Anwesenheitspraxis Radunskis. In 15 Sitzungen war der Senator für Kultur und Wissenschaft nur dreimal zugegen. Grüne und PDS forderten Radunski zum Rücktritt auf, weil er „das Parlament verhöhnt hat“, so Wolfgang Girnus (PDS).

Rund 150 Abgeordnete, TeilnehmerInnen und Interessierte verließen unverrichteter Dinge „die wichtigste Sitzung des Wissenschaftsauschusses der Legislaturperiode“, so Ausschußvorsitzender Gaebler. Universitätspräsidenten, StudentInnen und WissenschaftlerInnen sollten eigentlich den umstrittenen Hochschuletat 1997 kommentieren. Senator Radunski hatte das Zahlenwerk mit der Finanzsenatorin ausgehandelt. „Warum sollen wir über den Haushalt sprechen, wenn der Hauptakteur nicht da ist?“ fragte der Ausschußvorsitzende resigniert.

Radunski sollte sich auch zur Zahl der Studienplätze äußern, die Berlin überhaupt noch anbieten kann. Der Wissenschaftsetat (rund 3 Milliarden Mark) soll in den Jahren 1998 bis 2000 um 150 Millionen Mark abgesenkt werden. Damit wären nur noch 62.000 Studienplätze finanzierbar, besagt ein Szenario aus Radunskis Haus. Diese Kürzung würde die vermeintliche Kulturstadt der Hälfte ihres Bildungsangebots berauben.

Die Kritik am 58jährigen Radunski bezieht sich auf dessen gesamte Amtsführung. Sie sei kurzatmig, inkompetent und ohne Verbindung zu seiner Verwaltung. Kurz vor Weihnachten brachte Radunski die Freie Universität in schwere Nöte, indem er die lange vorbereitete Wahl des neuen Verwaltungschefs der Uni kurzfristig absetzte. Die Kandidaten seien zu schwach, ließ Radunski verbreiten. Er hatte sie selbst ausgewählt.

Wie nun bekannt wurde, haben Beamte Radunskis urlaubsbedingte Abwesenheit über Neujahr genutzt, um das Negativszenario drastisch sinkender Bildungschancen in Berlin der Presse zuzuspielen. „Da wollen Leute Politik machen“, sagte ein Wissenschaftsbeamter der taz. Das Papier stamme aus dem November. Der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung sei kein Zufall, hieß es.

Erich Thies (CDU), Radunskis Staatssekretär, bewertet die Veröffentlichung des „unautorisierten Papiers“ extrem negativ. Die Negativschlagzeilen beeinträchtigten die Empfehlung des Kölner Wissenschaftsrats über den High- Tech-Park Adlershof. Von diesem Votum hängt ab, ob das Land die 700 Millionen Mark schwere Investition allein finanzieren muß.

Unterdessen haben StudentInnen ein neues Modell der Haushaltsführung für die Wissenschaft vorgestellt. Die Studis fordern, Forschung und Lehre künftig „streng getrennt“ auszuweisen. Die Kürzungen, argumentierte Jochen Geppert, „gehen sonst fast immer auf die Studienplätze“. Die Konferenz der Berliner Studentenvertretungen will das nun anders handhaben: Die Zahl der Studienplätze und damit das Bildungsangebot sollten zur Grundlage der Etatberatungen gemacht werden. Dann würde das Abgeordnetenhaus Zahl und Struktur der Studienplätze beschließen. Der Nebeneffekt: Dann könnte sich Wissenschaftssenator Radunski nicht mehr davor drücken, „die Zahl der Studienplätze festzulegen“. Christian Füller