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„Teilzeit nicht zwangsweise einführen“

■ Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Erhard Geyer, zur Beschäftigungspolitik im öffentlichen Dienst. Bei Teilzeitarbeit die Freiwilligkeit erhalten

taz: Gegen eine Einstellung von Berufsanfängern als Teilzeitbeamte sträubt sich der Beamtenbund. Warum?

Erhard Geyer: Im öffentlichen Dienst gibt es bereits über 20 Prozent Teilzeitbeschäftigte. Das unterstützen wir ja auch. Aber es ist nicht möglich, daß wir zwangsweise nur auf Teilzeit einstellen.

Dies brächte mehr Arbeitsplätze. Warum verwahren Sie sich gegen die Solidarität mit denen, die keine Arbeit haben?

Es geht darum, daß der junge Mensch, der nach seiner Ausbildung in den öffentlichen Dienst geht, keine Chance hat, eine Vollzeitstelle zu bekommen. Er muß sie aber haben, um eine Familie zu gründen und den Lebensunterhalt zu bestreiten. Mit Teilzeitarbeit geht das nicht. Durch staatliche Anordnung wäre er gezwungen, eine Nebentätigkeit aufzunehmen.

Hört sich honorig an, klingt aber für einen Arbeitslosen wenig plausibel.

Ich möchte die Freiwilligkeit aufrechterhalten. Wir sollten eine Ausstiegsteilzeit diskutieren. Ab 59 oder 60 Jahre könnte man 50 Prozent Ruhegehalt beziehen und 50 Prozent teilzeitbeschäftigt sein.

Das würde aber kaum ein Beamter machen, weil seine Pension sich nach den Bezügen der vergangenen drei Jahre richtet. Arbeitsplätze entstünden also so auch nicht.

Bisher haben wir gute Erfahrungen mit der freiwilligen Teilzeit gemacht. Wir sollten das Angebot erweiteren. Der Erfolg stellt sich ein.

Warum muß heute ein Lehrer noch auf Lebenszeit in den komfortablen Beamtenstatus gehoben werden?

Ich kann eine Schule, eine Behörde sehr viel flexibler mit Beamten leiten. Den Angestellten habe ich auf einem Platz sitzen und darf ihn nur dort einsetzen. Den Beamten kann ich dort einsetzen, wo ich ihn brauche. Flexibilität durch Berufsbeamtentum – das ist systemimmanent. Darum beneiden uns andere Staaten. In Belgien konnten Schüler kein Abitur ablegen, weil die Lehrer streikten. Das ist undenkbar bei uns.

Die Beamtenpensionäre werden im Jahr 2040 gut 161 Milliarden Mark kosten, aus Steuermitteln zu zahlen. Deswegen fordert Innenminister Kanther eine kleine Beteiligung von 0,2 Prozent zu Finanzierung der Pensionen. Werden Sie ihm wenigstens dafür grünes Licht geben?

Die Diskussion darum ist bedauerlich. Vom Grundsatz her ist die Beamtenvesorgung beitragsfrei. Das heißt aber nicht, daß dem Beamten besondere Vergünstigungen zugute kommen. Denn Beamte verdienen in der Regel weniger als in der freien Wirtschaft. Wir finanzieren aus den niedrigen Beamtenbezügen die späteren Ruhestandsgelder. Zudem zahlen die Beamten im Ruhestand über Steuern jährlich 11 Millionen Mark in die Staatskasse zurück.

Eine Verwaltungsmodernisierung, die auf den Punkten Beamtenstatus, Teilzeit und Beteiligung an der Pension basiert, ist mit Ihnen also nicht zu machen?

Wir können darüber reden, daß Besoldung und Versorgung der Beamten prozentual bis 2040 etwas geringer ausfallen sollen. Auf dieser Tagung in Bad Kissingen stellen wir unsere Position klar. Ich erwarte, daß man von dieser Zwangsteilzeit abläßt. Ich hoffe, daß wir im Vermittlungsausschuß am 20. Januar zu einer Lösung kommen werden. Interview: Annette Rogalla

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