Ein bißchen Krieg?

■ Die IRA sprengt den Friedensprozeß in die Luft

Die Taktik der IRA, mit lauter kleineren Aktionen Druck auf die Regierungen in London und Dublin auszuüben, geht nie und nimmer auf. Ein bißchen Krieg gibt es nicht. John Major und sein irischer Amtskollege John Bruton werden sich durch die Anschläge kaum einschüchtern lassen – im Gegenteil. Zugeständnisse können sie sich in Zukunft immer weniger leisten.

Das weiß natürlich auch die IRA. Und es ist ihr wohl auch klar, daß beide Regierungen am nordirischen Friedensprozeß zur Zeit herzlich wenig Interesse haben. Sowohl in Großbritannien als auch in Irland stehen die Wahlen vor der Tür, und beide Regierungen kämpfen ums Überleben. Frieden in Nordirland wäre da ein Risiko, das sich – wenn überhaupt – erst viel später auszahlen würde. Wahlkampf läßt sich damit nicht machen.

Was sollen also Aktionen wie die Schüsse im Dezember auf einen Polizisten im Kinderkrankenhaus, die 500-Kilo-Bombe vorige Woche am Belfaster Schloß und die Anschlagsserie von gestern? Wenn es darum geht, die eigenen Mitglieder bei der Stange zu halten und mögliche Spaltungen zu verhindern, so ist das ein untaugliches Mittel. Die Fehler wurden früher gemacht: Sinn Féin, der politische IRA-Flügel, hat nach dem IRA-Waffenstillstand vor gut zwei Jahren alles auf die Mehrparteiengespräche gesetzt – als ob das ein Allheilmittel sei.

Je länger die britische Regierung und die unionistischen Parteien, von denen sie im Unterhaus abhängt, den Runden Tisch blockierten, desto größer wurde der Frust in den katholischen Vierteln. So wurde versäumt, eine breitere politische Front für Polizeireform, Amnestie und andere Forderungen aufzubauen, obwohl die Atmosphäre während des Waffenstillstands und der britischen Hinhaltetaktik nie günstiger war.

Die Loyalisten haben die Lektion begriffen. Es ist ihnen in den vergangenen Monaten gelungen, sich in der Öffentlichkeit als besonnene Organisationen darzustellen, die lediglich auf die IRA reagieren. Das stimmte weder in der Vergangenheit, noch trifft es heute zu: Wenn es ihnen taktisch vorteilhaft erscheint, werden die Loyalisten ihre Mordkommandos wieder losschicken – ganz gleich, was die IRA macht. Ralf Sotscheck