„Rechtlich umstrittene Förderung“

■ Grüne wollen Jugendorganisationen der Parteien Gelder kürzen und damit Lesben- und Schwulenprojekte fördern

Blut strömte aus einer Platzwunde über der Augenbraue, auch zwei weitere junge Männer sahen übel zugerichtet aus. Einer trug einen Verband über der gebrochenen Nase, die Augenpartie war grün und blau geschlagen. Doch die blutüberströmten Gesichter waren nur geschminkt: Aus Protest gegen die drastischen Kürzungen bei Lesben- und Schwulenprojekten hatte das Schwule Überfalltelefon gestern drei Gewaltopfer vor dem Roten Rathaus „abgeladen“. Denn bei einer Kürzung um 40.000 Mark – einem Drittel der Förderung – werde man künftig nicht mehr alle ratsuchenden schwulen Gewaltopfer betreuen können, sagte Projektleiter Bastian Finke.

Am Montag abend hatten sich zum Auftakt einer Aktionswoche bereits fünfhundert Lesben- und Schwule an einer Protestdemonstration zum Amtssitz der Senatsverwaltung für Jugend, Sport und Schule beteiligt. Die Demonstrationen sollen künftig an jedem ersten Montag im Monat fortgesetzt werden.

Der Etat der Lesben- und Schulenprojekte soll in diesem Jahr um 160.000 auf 303.000 Mark gekürzt werden. Dies wollen die Bündnisgrünen heute bei den Haushaltsberatungen im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses abwenden. Die Abgeordneten Ida Schillen und Anselm Lange schlagen auch vor, wo das Geld herkommen soll: Denn während bei Jugendprojekten, Familienberatung und Lesben- und Schwulenprojekten gekürzt wird, sollen die Zuschüsse an politische Jugendorganisationen noch aufstockt werden.

Ob Jusos, Junge Union oder Junge Liberale, die Jugendorganisationen der politischen Parteien sollen in diesem Jahr insgesamt 221.000 Mark erhalten, obwohl diese Förderung schon im vergangenen Jahr eingestellt werden sollte. Weil es sich um „indirekte Parteienfinanzierung“ handle, solle die „rechtlich umstrittene Förderung“ abgewickelt werden, merkte die Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport im Haushaltsentwurf 1996 an. Nur auf den Druck des Senats und von Abgeordneten erhielten die Jugendorganisationen im Nachtragshaushalt 1996 doch noch Fördergelder von insgesamt 215.000 Mark. Neben der politischen Bildung dient deren Arbeit der Anbindung Jugendlicher an die jeweilige politische Partei.

In diesem Jahr sollen sie noch 6.000 Mark mehr erhalten. „Die Förderung von Parteien über deren Jugendarbeit ist ein alter Zopf“, stellte die bündnisgrüne Abgeordnete Ida Schillen gestern fest. Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) bediene damit eine bestimmte Klientel, die eine starke Lobby habe. Zugleich nehme sie es hin, daß der Etat der Lesben- und Schwulenprojekte um 40 Prozent gekürzt werde. Dies bedeute das Ende für jedes zweite der von Stahmers Verwaltung geförderten Lesben- und Schwulenprojekte. Dorothee Winden