Die Welt im Licht des Besens

■ Galerie Gruppe Grün startet mit einem Fotographie-Projekt in die neue Saison / Zum Auftakt am Freitag gibt's einen künstlerischen Kehraus

Allüberall hängen Nylonschnüre von der Decke, und an den Nylonschnüren hängen fotochemisch belichtete Folien, und diese belichteten Folien zeigen etwas allüberall Vertrautes: Es sind Besen. Genau gesagt sind es keine Besen, sondern Bilder von Besen. Und von Fegern. Und von Schrubbern eines jeden Alters, eines jeden Zustands und einer jeden Form, die da als Hommage ans „Großreinemachen“ in die Galerie Gruppe Grün im Fedelhören plaziert und drappiert worden sind. „Besenrein“ heißt diese Veranstaltung, und die „in Lilienthal bei Worpswede“ geborene Wahlberlinerin Susanne Ahner ist für sie und dafür verantwortlich, das diesjährige Galerieprogramm mit ganz handfesten und selbstredend ganz metaphorischen Hintergedanken zu eröffnen.

Die seit zwei Jahrzehnten bestehende Galerie Gruppe Grün ist eine Produzentengalerie. Und eine Produzentengalerie bringt nach ausgesprochener Einladung nicht nur jede Menge Freiheiten mit sich, sondern auch jede Menge profane Pflichten. Da müssen die Nägel von Vorgängern aus den Wänden gerissen und die verbliebenen Löcher verschmiert werden. Und diesmal war sogar der ganze Sandhaufen einer Videoinstallation einschließlich der tiefen Spuren im Fußboden zu beseitigen. In der Galerie ist's also wieder „besenrein“ – so viel zum Handfesten.

Metaphorisch ist die Lage da schon etwas anders. Denn Jahr für Jahr stellen die acht KünstlergaleristInnen ihre Ausstellungssaison unter ein Motto. Der mit Bremen verbundene Komponist John Cage war ein Jahr lang „uncaged“ zu erleben. In diesem Jahr will das Organisatorenpaar Anette Venzlaff und Wulf Sternebeck sich und dem Galeriepublikum Bilder unter dem unbescheidenen Motto „Die Welt belichten“ vermitteln.

Am Vor-Vorabend der Multimediagesellschaft werden Medien wie das herkömmliche Fernsehen alsbald ins Antiquariat wandern. Genau dorthin, wo die Fotographie schon längst gelandet und dann – von der Kunst neu- und wiederentdeckt worden ist. Der Bilderflut setzt die Kunst das angehaltene Bild entgegen und kehrt dabei häufig genug zu neuen Formen figürlicher Darstellung zurück. Und der Umgang mit Fotographie in jedweder Ausprägung spielt eine Hauptrolle dabei.

Für den Hannoveraner Olav Raschke liefern die bei der Photographie an- und abfallenden Materialien das Zubehör für Skulpturen – er durchröntgt Fotoalben oder hängt beschnittene Röntgenbilder wie Wäschestücke auf einem Ständer auf (Galerie-Grün-Projekt im September). Die Berlinerin Eva-Maria Schön (ab Ende Februar) nutzt Fotoemulsion für Gemälde bizarrer Organismen, während sich Ralf Ritter (im November) und der Belgier Bert de Beul (im April) als junger Vetter Gerhard Richters von der Malerei her fotoähnlichen aber keineswegs fotorealistischen Weltbelichtungen nähern.

Diaprojektionen und Kuben sind für die Kielerin Ilka Kollath (im Oktober) die Werkzeuge zur Schaffung von Räumen und Raumillusionen, in der die Welt wenigstens für einen Ausstellungsbesuch angehalten und verzaubert wird. Das Weltbild des letzten Galerie-Grün-Gastes, Edgar Lissel aus Hamburg, ist dagegen eine Sammlung von Abbildern. Mit dem Mittel der Camera-Oscura stellt er teils stundenlang belichtete und dadurch verfremdete Fotographien von Architektur her. „Gotteshäuser“ heißt sein im gleichen Verfahren hergestelltes und für Bremen (im Juni) geplantes Projekt.

Zurück zu Susanne Ahner und ihren Besenbildern. Die mehrfach für anspruchsvolle „Gedenckunst“-Projekte in Berlin ausgewählte Künstlerin reizte selbst an den Bildern die Benutztheit dieser Alltagsgegenstände. Der Besen en masse – ein spontaner Einfall, eine Vielzahl beseelter Objekte, eine erste „Weltbelichtung“ der Saison 1997. Christoph Köster

Susanne Ahner, Raumarbeit „besenrein“ in der Galerie Gruppe Grün – Eröffnung am Freitag, 10. Januar um 20 Uhr; zu sehen bis zum 14. Februar