Kinderfalle statt Jahrhundertchance

Die Frauenförderung an den Universitäten ist durch Sparvorgaben akut gefährdet. Streit um immer weniger Geld. „Männerbünde“ versuchen, Frauen von den Unis fernzuhalten  ■ Von Monika Hinner

Die Sparauflagen des Senats drohen der Frauenförderung an den Berliner Universitäten den Boden zu entziehen. „Frauenförderung findet so gut wie nicht mehr statt“, sagt Heidi Degethoff de Campos, zentrale Frauenbeauftragte der Technischen Universität (TU). Der generelle Einstellungsstopp an den Hochschulen lähme eines der wesentlichen Anliegen der Frauenförderung: die Erhöhung des Frauenanteils beim wissenschaftlichen Personal. So verpuffe die Wirkung mühsam erkämpfter struktureller Verbesserungen, erklärt Degethoff de Campos. Dies sei beispielsweise am Fachbereich Mathematik der Fall. Obwohl eine Frauenquote für neu zu besetzende Stellen im letzten Jahr durchgesetzt wurde, liege jetzt die Einstellung von vier Mathematikerinnen auf Eis.

Auch die zweite wichtige Fördersäule, das in der Bundesrepublik einzigartige Berliner „C1/C2- Programm“ zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen, beginnt zu wackeln. Seit Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) die Sparkeule schwingt, müsse das Sonderprogramm an der Humboldt-Uni (HU) davor bewahrt werden, „zur Deckung allgemeiner Haushaltsdefizite“ herangezogen zu werden, meint Marianne Kriszio, zentrale Frauenbeauftragte an der HU. Insgesamt 5 Millionen Mark stehen den drei Universitäten nach dem „C1/C2- Programm“ pro Jahr für Stellen von wissenschaftlichen Assistentinnen zur Verfügung, und zwar zusätzlich zum regulären Stellenplan. Der Kanzler der HU habe den generellen Einstellungsstopp auch auf das C1/C2-Programm beziehen wollen, so Kriszio.

„Da stand wohl der Gedanke im Hintergrund, wenn nicht einmal Berufungszusagen von Professoren eingehalten werden können, dann gehe es doch wohl nicht, Stellen für ein Frauenprogramm freizugeben“, vermutet die Frauenbeauftragte. Der Angriff konnte jedoch zunächst abgewehrt werden: Auf Druck mehrerer Parlamentarierinnen des Abgeordnetenhauses quer durch die Fraktionen sei diese Idee fallengelassen worden. „Es wäre frauenpolitisch absurd gewesen, Stellen dieses Programms von Westberliner Unis abzuziehen, um sie dann hier auf Eis zu legen“, betont die HU-Frauenbeauftragte. Zugunsten der Humboldt-Uni waren nämlich – nach heftigem Protest der Frauen an den West-Unis – an der FU 23 und an der TU 2 Stellen des Programms gestrichen worden. Möglichst im Sommersemester 1997 sollen die 14 Stellen des Sonderprogramms an der HU besetzt sein. Abstriche beim C1/C2-Programm an der HU wären für die FU-Frauenbeaufragte Christine Färber „ein Schlag ins Gesicht der FU“, die dafür bluten mußte.

Ohnehin sei die Chance vertan worden, die Frauenförderung im Zuge der Neustrukturierung an der Humboldt-Uni zu verankern, meint Färber aus Sicht der Freien Universität. Diese Sicht bestätigt die HU-Frauenbeauftragte Marianne Kriszio. Dort fehle im Gegensatz zur FU, wo 1976 die erste Frauenuni stattfand, eine frauenpolitische Basis.

Die Konkurrenz der drei Unis um Mittel zur Frauenförderung nimmt gerade in Zeiten leerer Kassen zu: „Natürlich ist es ein Problem, wenn sich alle ums gleiche Geld streiten“, räumt Christine Färber ein. Jedoch versuche die monatlich tagende Landeskonferenz der Uni-Frauenbeauftragten, die Interessen abzustimmen und gegenüber dem Senat durchzusetzen. So kämpften die Frauenbeauftragten zusammen – als „Club der Kämpferinnen“ – bei Wissenschaftsstaatssekretär Erich Thies (CDU) darum, möglichst viele Mittel aus dem Hochschulsonderprogramm zur Förderung der innovativen Forschung an Frauen zur Verfügung zu stellen.

Ein Schulterschluß in Sachen Frauenförderung scheint auch dringend geboten. Denn universitäre Männerbünde wittern in mageren Zeiten Morgenluft – da sind sich die drei Frauenbeauftragten der Berliner Unis einig. In einigen Fachbereichen schlügen sich die Herren Professoren gegenseitig auf die Schulter, wenn sie es mal wieder geschafft hätten, ihren Bereich „sauberzuhalten“, sagt die TU-Frauenbeauftragte Degethoff de Campos. „Sauberhalten“ sei eine interne Sprachregelung für „frei von Frauen“.

Demnächst stehen aus Altersgründen viele Professuren an den Unis zur Neubesetzung an. „Eigentlich“, so die TU-Frauenbeauftragte, „ist die Emeritierungswelle eine Jahrhundertchance, den Anteil der Frauen bei den Professuren erheblich zu steigern.“ Wären da nicht die Sparauflagen des Senats. Diese können die Unis kurzfristig nur bei befristeten Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau umsetzen – in dem Bereich also, in dem sich die Professorinnen von morgen qualifizieren müßten. Komplettiert werde diese „Katastrophe aus frauenpolitischer Sicht“, ergänzt Degethoff de Campos, dadurch, daß Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) bis auf weiteres die Mittel für Vertretungen bei Schwangerschafts- und Erziehungsurlaub gesperrt habe.

Die Konsequenz: Frauen stolpern in die „Kinderfalle“, da Professoren die wenigen verbleibenden Stellen viel eher an Männer als an „unsichere Kandidatinnen“ vergäben, „deren Interessen nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Familienplanung gelten“, wie es im aktuellen Bericht der TU-Frauenbeauftragten heißt. „Frau Fugmann-Heesing geht wohl davon aus, daß, da sie Karriere ohne große Unterstützung gemacht hat, alle anderen Frauen dies auch schaffen“, vermutet Degethoff de Campos, „aber dabei läßt sie die strukturelle Benachteiligung von Frauen außer acht.“

Mit weiteren strukturellen Verschlechterungen müssen Frauen an allen Berliner Universitäten rechnen. Düstere Aussichten prophezeit Degethoff de Campos für den Fall, daß die Erziehungs- und Geisteswissenschaften an der TU tatsächlich abgewickelt werden: „Frauen wären dann auf dem Campus unsichtbar.“ Schon jetzt sind nur ein Drittel der TU-Studierenden Frauen, der Großteil von ihnen in den Erziehungswissenschaften. Die FU-Frauenbeauftragte verweist auf ein weiteres Problem, das die geplante Reduzierung der Studienplätze nach sich ziehen werde: Der dann einsetzende Verdrängungsprozeß werde sich vor allem gegen marginalisierte Gruppen von Frauen, beispielsweise gegen Migrantinnen, richten.