Schwanken im Boot

■ Der derzeitige Kampf um Sat.1 ist auch ein Kampf um Springer

Es war keine Überraschung. Seit mit Jahresbeginn der neue Rundfunkstaatsvertrag den Medienkonzernen fast schrankenlose Freiheit beim Beherrschen von Sendergruppen gibt, wollen sie diese auch nutzen. So war es nur der Vollzug der neuen Gesetze, als sich Leo Kirch gleich in der ersten Januarwoche die Mehrheit an Sat.1 sichern wollte.

Mit der Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe, deren 15-Prozent- Anteil (Wert: ca. 200 Millionen Mark) die Kirch-Gruppe übernehmen will, hatten die Münchner bei Sat.1 schon seit langem gemeinsame Sache gemacht. Und der Ravensburger Verlag, dessen Prozentchen dazukommen sollen, hatte dort ohnehin nie etwas zu sagen: Auf Kosten der Partner füllt Kirch den Sender seit Jahren mit seinem Filmstoff – und verdient als einziger an Sat.1.

Keine Überraschung also. Wenn nicht aus Hamburg einer dazwischengefunkt hätte. Springer- Chef Jürgen Richter hatte sich bereits im Dezember die Macht über die 20 Prozent der Verleger gesichert. Somit verfügte Springer schon einmal über 40 Prozent der Anteile. Der Verlag will aber mehr: Wie er am Mittwoch mitteilte, will er den Deal von Kirch mit Holtzbrinck und Ravensburger so nicht passieren lassen. Dabei beruft sich Springer auf eine Klausel im Sat.1-Gesellschaftervertrag, nach der er sich ein Vorkaufsrecht über knapp die Hälfte der fraglichen 16 Prozent vorbehält. Kirch- Sprecher Joachim Schmitz darauf: „Wir kennen ja die Verträge. Es ist ein Rückzugsgefecht Springers.“

Die Mehrheit bei Sat.1 hätte Kirch selbst dann, wenn Springer auf die knapp 7 Prozent des Holtzbrinck/Ravensburger Pakets pocht. Doch es geht um die Mehrheit im Aufsichtsrat: Dort würde das Patt zwischen Springer und Kirch (jeweils vier Sitze) bestehen bleiben, wenn Kirch nur knapp 53 Prozent an dem Sender hält.

Dabei hat der Münchner längst andere Wege gefunden, Sat.1. zu beherrschen: Über die Filmprogrammierung und eine geschickte Personalpolitik dreht er das Rad: Programmchef Fred Kogel wurde von ihm inthronisiert, zudem gehören Kirch über 35 Prozent bei Springer selbst.

Vieles spricht also dafür, daß es gar nicht vornehmlich um Sat.1 geht. Die Sicherung der Macht bei dem Privatsender hat für Kirch nur Routinebedeutung. Wichtiger ist das Abkommen mit Frankreichs Pay-TV Canal+. Langfristig will der Münchener Filmhändler zudem die Macht bei Springer ausbauen und dem ungeliebten Richter die Grenzen aufzeigen. Springer hißt daher bereits weiße Fahnen: Es gehe gar nicht um einen Kampf, sagt Springer-Sprecherin Edda Fels. „Wir sitzen in einem Boot.“ Lutz Meier