Anschlag im Zentrum von Bagdad

■ Granaten galten angeblich iranischen Oppositionellen. Aber auch ein Angriff gegen Iraks Führung ist möglich

Berlin (taz) – Bei einem Anschlag in Bagdad sind nach Angaben einer dort ansässigen iranischen Oppositionsgruppe am Dienstag abend ein Mensch getötet und zahlreiche verletzt worden. Nach Informationen der iranischen Volksmudschaheddin explodierten etwa 600 Meter von dem Hauptquartier der Organisation mehrere Granaten. Die Sprengkörper seien von drei mit Zeitzündern gesteuerten Mörsern abgefeuert worden, die auf einem aus dem Iran gekommenen Lkw montiert gewesen seien. Zur Tarnung sei das Fahrzeug mit Ziegeln beladen gewesen.

Nach Angaben der Volksmudschaddin wurden bei dem Anschlag ein Krankenhaus, ein Labor und ein Gebäude des irakischen Schriftstellerverbandes beschädigt. Die Mörser seien beschlagnahmt worden. Jede der Granaten habe 125 Kilo Sprengstoff enthalten. Zwei baugleiche Mörser waren im vergangenen Jahr beschlagnahmt worden: Einer am 14. März 1996 im Hafen von Antwerpen und einer wenige Wochen zuvor in Bagdad, in unmittelbarer Nähe des Hauptquartiers der Volksmudschaheddin. Die in Antwerpen entdeckte Waffe befand sich an Bord eines iranischen Frachters, Adressat war ein iranischer Händler in München. Die Staatsanwaltschaft in der bayerischen Landeshauptstadt ermittelt. Die Volksmudschaheddin vermuten jedoch, daß der Mörser nach Paris geschafft werden sollte, um die Führerin ihrer Organisation, Mariam Radschavi, zu ermorden. Den Weg können sich Attentäter mittlerweile sparen: Radschavi übersiedelte im Dezember nach Bagdad.

Der in Bagdad verwendete Mörsertyp soll eine Reichweite von etwa 600 Metern haben. Daraus abgefeuerte Granaten können ein ganzes Haus zerstören, haben aber keine große Treffsicherheit.

Unklar ist, warum die Granaten in Bagdad offensichtlich zu früh abgefeuert wurden. Eine mögliche Erklärung wäre, daß der Anschlag gar nicht den den Volksmudschaheddin galt, sondern der irakischen Führung. Irakische Oppositionelle berichteten in den letzten Monaten wiederholt von Anschlägen in Bagdad. Saddam Husseins Sohn Udai wurde am 12. Dezember durch Schüsse schwer verletzt. Die irakische Führung macht dafür abwechselnd Iran und Israel verantwortlich. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Täter irakische Oppositionelle sind oder Angehörige der zahlreichen Vergewaltigungsopfer Udais, der als noch brutaler gilt als sein Vater. Thomas Dreger