Gysi überlegt sich's

Der Chef der PDS-Bundestagsgruppe pfeift möglicherweise auf seinen Posten im Parteivorstand  ■ Von Jens König

Berlin (taz) – Gregor Gysi will möglicherweise nicht mehr in den PDS-Bundesvorstand gewählt werden? Diese Spekulation hat gestern einige Wellen geschlagen. Gleich vermutete man den großen Abgang des PDS-Stars. Gysi hatte in den vergangenen Wochen öfter mal durchblicken lassen, daß er sich sein Leben auch ohne die PDS vorstellen könne: „Ich bin ein Seiteneinsteiger, man kann auch zur Seite wieder aussteigen.“

In der Umgebung Gregor Gysis wurde am gestrigen Mittwoch jedoch gelassen auf die Spekulationen reagiert, hier sah man keinen Anlaß zur Sorge. Ein möglicher Verzicht Gysis auf eine Kandidatur für den PDS-Vorstand beim bevorstehenden Parteitag in Schwerin habe nichts mit seiner Kritik am Zustand der Partei zu tun, hieß es.

Hinter solchen Überlegungen steckten weniger inhaltliche, als vielmehr pragmatische Gründe. Gregor Gysi, der durch seine Funktion als Vorsitzender der PDS-Bundestagsgruppe stark an Bonn gebunden sei, habe nur sporadisch an den Sitzungen des Parteivorstands in Berlin teilgenommen. Außerdem müsse er gar nicht Mitglied des Bundesvorstands sein, um auf deren Sitzungen mitreden und mitentscheiden zu können. Als Gruppenvorsitzender sei er neben dem Ehrenvorsitzenden und dem Pressesprecher laut Geschäftsordnung ständiger Gast mit beratender Stimme.

„Natürlich würde ich Gysi lieber im Vorstand sehen“, sagte der stellvertretende PDS-Vorsitzende Wolfgang Gehrcke, „aber sein Verzicht wäre kein Signal für seine zukünftige politische Tätigkeit in der Partei.“ André Brie, PDS-Spitzenpolitiker und enger Vertrauter Gregor Gysis, hält es für viel wichtiger, Gysi nach den Wahlen 1998 als politische Leitfigur für die PDS zu halten. Eine Mitgliedschaft im Parteivorstand sei dafür nicht ausschlaggebend.

Gysi selbst gab sich angesichts solcher Gerüchte eher zugeknöpft. Zu den Spekulationen über seine Kandidatur erklärte er nur: „Ich denke noch nach.“ Seine Enttäuschung über die Entwicklung der PDS, die er vor einigen Wochen in einem offenen Brief geäußert hatte, sei offenbar falsch verstanden worden.

Unklar ist auch, ob André Brie noch einmal für den Bundesvorstand kandidiert. Hintergrund ist hier ein Parteiausschlußverfahren gegen Brie, das Eberhard Czichon, Mitglied der Kommunistischen Plattform der PDS, beantragt hat. Eberhard Czichon wirft seinem Parteikollegen Antikommunismus vor: Brie würde eine Pogromstimmung gegen Kommunisten verbreiten. Dieses Verfahren wird am kommenden Mittwoch vor der Berliner Landesschiedskommission verhandelt. Brie hält den Vorwurf gegen ihn für absurd. Von dem Klima, in dem der Vorwurf der Kommunistischen Plattform gegen ihn verhandelt wird, will Brie seine Entscheidung abhängig machen. „Im Moment tendiere ich dazu, für den Bundesvorstand zu kandidieren“, so Brie.