Die Wüste stirbt

Dreadlocks unerwünscht, Problem vertagt: Der Yaam-Club steht vor dem Aus, die Treptower Lokalpolitiker mauern, daß die Schwarte kracht  ■ Von Kirsten Niemann

Bräsige Reggae- und Raggamuffin-Klänge schallen aus dem schummrig beleuchteten, mit zahlreichen Graffiti verzierten Doppeldeckerbus, der vor dem Treptower Rathaus parkt. Drinnen gibt es heiße Getränke und Kuchen, die Luft ist zum Schneiden dick vom Qualm der vielen, aufgeregt gerauchten Zigaretten. Als herrschten sommerliche Temperaturen, werfen draußen ein paar nur mit dünnen Sweatern bekleidete Jungs Bälle in den eigens mitgebrachten Basketballkorb.

Trotz eisiger Temperaturen vermitteln etwa 40 Mitglieder der YAAM-Posse Präsenz, denn eigentlich sollte in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eine Entscheidung über die künftigen Mietbedingungen für das seit nunmehr drei Jahren von dem Multikulti-Club genutzte Gelände an der Treptower Eichenstraße fallen. Doch dazu kam es nicht.

In wenigen lapidaren Sätzen hat Bezirksbürgermeister Brückner die das YAAM betreffenden Programmpunkte schriftlich beantwortet und somit von der Tagesordnung genommen. Wegen der angeblich noch nicht erfolgten Übergabe aller Dokumente habe man die Frage um die Vertragssituation für das YAAM zunächst vertagt. Ferner seien den Bezirksverordneten keine Konzepte des YAAM-Projektes bekannt, hieß es in der Erklärung. „So'n Blödsinn!“ Tom Wiggenhauser, Gründer, Kronprinz und hitziger Wortführer des YAAM dementiert das entschieden. „Dem war das Thema zu brisant, als ihm klar wurde, daß wir hier mit so vielen Leuten angerückt sind.“

Die Kündigung kam prompt

Tatsächlich waren Scharen von Journalisten – vom Radiosender Fritz, KISS 99 bis zur Morgenpost – zum Termin am Mittwoch abend bestellt, um im Bus bei Kaffee und Kuchen mit der YAAM-Familie auf den Beschluß der Versammlung zu warten. Statt dessen stehen buntbemalte Plakate sowie etliche Gestalten im ersten Stock des Rathauses vor den Pforten des Sitzungssaales. Darunter YAAM- Mitarbeiter, Journalisten und rastagelockte Sympathisanten. Hin und wieder stellen sich hier einzelne BVV-Mitglieder in ihren Zigarettenpausen den Fragen der Journalisten und der Multikulti-Crew. Nur der Buhmann des Abends, Bürgermeister Michael Brückner, huscht in großer Eile über den Korridor. „Keine Zeit!“

Das YAAM hat ein schlechtes Jahr hinter sich, und auch 1997 hat nun einen eher desillusionierenden Anfang genommen. Seit Beginn 1996 verwaltet nicht mehr die BVG, sondern der Bezirk das Grundstück mit dem früheren Busdepot an der Eichenstraße 4. Noch im vergangenen April, wenige Tage vor Saisonbeginn und Eröffnung des Open-air-Clubs, zwang man die Betreiber auf einen Mietvertrag einzugehen, deren Einhaltung von vornherein illusorisch war: 60.000 Mark Jahresmiete sollten entrichtet werden, was bedeutet, daß der Jugendclub, der als Open-air-Veranstaltungsort nur sechs Monate im Jahr betrieben werden kann, eine monatliche Miete von über 10.000 Mark erwirtschaften mußte. „Das war 1996 einfach nicht drin“, betont Wiggenhausen, „schon wegen des verregneten Sommers.“ Seit Oktober kam es zu Mietschulden, die der Bezirk direkt mit einer Kündigung des Mietvertrages zum Ende des Jahres quittierte.

Wiggenhauser beantragte am 30. September für den U-Club e.V., der als Träger für die Organisation des YAAM verantwortlich ist, bei der Jugendförderung Treptow eine Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe. Diese Anerkennung, die übrigens bis auf geringfügige Formalien bereits erfolgt ist, brächte den YAAM in die vorteilhafte Lage, nur noch eine sogenannte Kostenmiete entrichten zu müssen. Doch die Amtsmühlen mahlen bekanntlich langsam. Auch die Möglichkeit, daß man diesen nonkonformen Haufen von Jugendlichen aus dem Dunstkreis des vom Großinvestor Roland Ernst bebauten Gebiets zwischen Elsenbrücke und Eichenstraße vertreiben möchte, ist nicht abwegig.

Weitere Aktionen geplant

Michael Diehl, Fraktionssprecher der Grünen, kommt auf ein Zigarettchen aus dem Sitzungssaal. Diehl sieht in der Art und Weise, wie mit der Angelegenheit des YAAM umgegangen wird, eine akute Gefährdung der Jugendkultur. „Wo findet sonst schon integrative Jugendarbeit zwischen so vielen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen statt?“ Obwohl die freie Trägerschaft der Jugendhilfe anerkannt wird, folgen keine Taten. „Schon im vergangenen Jahr wurde diese vertragslose Situation für den YAAM bewußt herbeigeführt“, beklagt Diehl. Die lapidaren Bemerkungen des Bezirksbürgermeisters findet er schlicht skandalös. „Man hat sich der Pflicht entzogen, den Punkt heute zu behandeln.“ Ohnehin müsse man das Bezirksamt dazu zwingen, einen vernünftigen Mietvertrag mit dem YAAM abzuschließen. „Auch die Kids müssen noch mehr Druck ausüben.“ Dem stimmt Tom Wiggenhauser zu. Zum nächten BVV-Termin, der für den 29. Januar um 17 Uhr angesetzt ist, werde man „mit zehnmal so vielen Leuten“ das Rathaus belagern.

Doch für dieses Mal ist alles gelaufen. Die Kids verfrachten ihre Plakate in den Bus, aus dem immer noch unverdrossen die sommerlichen Beats wummern. „Am 29. kommen wir wieder.“