Dokumentation
: „Eine neue Form des Kapitalismus“

■ Alternative zum Bewag-Verkauf ist die Suche nach einem Öko-Eigentümer: BerlinerInnen kaufen Aktien an einem „ÖkoEnergieFonds“, der die Bewag auf ökologische Ziele verpflichtet

Am 14. Januar entscheidet die SPD auf einem Sonderparteitag über den Verkauf der Bewag. Neben der Frage, ob 25,8 oder 50,8 Prozent der Anteile verkauft werden sollen, gibt es inzwischen zahlreiche Vorschläge, zu einer Vermögensaktivierung ohne Verkauf zu kommen. Einen solchen Vorschlag macht nun Thomas Flierl, Abgeordneter für die PDS.

Der SPD-Streit um den geplanten Bewag-Verkauf treibt sich zumeist noch in den falschen Alternativen von Etatismus/Korporatismus (Staatsunternehmen als Garant von Energiepolitik und Arbeitsplätzen) und Marktradikalismus (Veräußerung möglichst mit Paketzuschlag) herum. Umweltsenator Peter Strieder ist der einzige, der die Pole ansatzweise zusammendenkt, wenn er sagt: „Sehr viele Aufgaben, die der Staat wirtschaftlich wahrnimmt, müssen privatisiert werden. Im Gegenzug dazu wächst aber die Führungsaufgabe der Politik und die Notwendigkeit, den entscheidenden ordnungsrechtlichen Rahmen zur Verfügung zu stellen.“ Die Berater des britischen Labour-Chefs Tony Blair sind bei der Beantwortung dieser Frage weiter: Sie stellen dem Shareholder-Kapitalismus, der auf dem kurzfristigen Interesse der Aktienbesitzer (shareholder) beruht, eine „neue Form des Kapitalismus“ gegenüber, die wirtschaftlich und sozial auf Anteil(nahme) – stake(holding) – und auf einer Stärkung der „intermediären Institutionen zwischen Individuum und Staat“ beruht.

Die Einflußnahme des Landes zur Sicherstellung der energiepolitischen Ziele Berlins sind allerdings gegenüber einer vollständig privatisierten Bewag kaum durch Konzessions- und Konsortialverträge sicherzustellen, wie Strieder behauptet. Daher müßten die energiepolitischen Ziele Berlins als Unternehmensziele der Bewag festgeschrieben werden. Ein derartiger PDS-Antrag (inklusive kostendeckender Solarstromvergütung) wurde von CDU und SPD am 12.12. im Abgeordnetenhaus in die Ausschüsse versenkt.

Die SPD führt den Streit bislang nur um den „richtigen“ Erwerber der Landesanteile: ökologisch orientierter Konzern versus „Volksaktie“, oder versucht, wie Alle Vorschläge haben bisher Nachteile

jetzt die SPD-Linken, den Totalverkauf der Bewag durch andere Sparmaßnahmen abzuwenden. Diese Modelle verbleiben noch im Vorfeld einer möglichen „neuen Form des Kapitalismus“.

Die Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung oder gar der Sperrminorität der „öffentlichen Hand“ an den Infrastrukturunternehmen kann nur akzeptiert werden, wenn diese Unternehmen nicht monopolistisch privatisiert werden, sondern wenn sie in „viele Hände“ gelangen.

Bisher stehen schon mehrere Vorschläge zum Verkauf der Bewag im Raum: Neben dem Vorschlag eines Kreuzgeschäfts mit anderen Stromversorgern und der Aktivierung ihrer Rücklagen ohne Aufgabe der Kontrolle wäre der Gedanke von Herrmann Scheer aufzugreifen, die BerlinerInnen an ihren städtischen Unternehmen wie der Bewag mit einer „Volksaktie“ zu beteiligen. Teile der Bündnisgrünen und der PDS diskutieren einen weitergehenden Vorschlag, mit dem die Infrastrukturunternehmen in einem intermediären Sektor zwischen Staat und Privatwirtschaft anzusiedeln bzw. in öffentlich-rechtliche Unternehmen „neuen Typs“ umzuwandeln sind. Werden die gesellschaftlich relevanten Interessen und Vermögen wirtschaftlich auf neue Weise kombiniert, in diesem Sinne vergesellschaftet, brauchte der Staat tatsächlich auch keine strategischen Unternehmensbeteiligungen mehr zu halten – allerdings müßte er die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen für diese progressive Entstaatlichung schaffen.

Alle bisherigen Vorschläge haben jedoch ihre Nachteile: Die Befürworter eines bloßen Verkaufes können nur die vage Hoffnung auf einen „ökologisch verantwortungsvollen und arbeitsplatzsichernden Investor“ hegen oder die Streuung privaten Eigentums durch Ausgabe von Volksaktien ins Auge fassen. Ein bloßer Streubesitz würde aber den notwendigen öffentlichen Einfluß gerade nicht gewährleisten und wäre hilflos gegenüber dem Staubsaugereffekt des Kapitals. Gegenüber den großen Energiekonzernen sind dagegen die ordnungsrechtlichen Instrumente schwach.

Das eigentliche Problem ist also nicht der Verkauf an einen Investor, sondern die Bildung eines neuen, ökologisch orientierten Eigentümers. Dieser entsteht aber überhaupt erst dann, wenn eine breite Eigentumsstreuung und die Beteiligung der relevanten Interessengruppen zugleich institutionalisiert werden. Zu überlegen ist also, wie durch Vermögensveräußerung zugleich nichtmonopolistisch Eigentum gebildet und eine nachhaltige Energiepolitik gestärkt werden kann. Zum Beispiel wäre hierzu die Bildung eines Bewag-Anteilsfonds „Nachhaltige Energiepolitik für Berlin“ denkbar, in den vorzugsweise die BerlinerInnen einzahlen können und deren Stimmrechte gebündelt auf Gremien übertragen werden, die Ökologie und finanzielle Ziele verbinden

ökologischen Zielen verpflichtet sind. Es wäre dabei sicherzustellen, daß bei einem Verkauf nicht die Stromerzeugerseite das strategische Übergewicht erlangen kann. Anders als bei der Telekom-Aktie könnten die Anleger nicht nur mit einer guten durchschnittlichen Rendite rechnen, sondern auch konzentriert Einfluß auf die Unternehmenspolitik nehmen. Die Transformation der Landesbeteiligung an der Bewag in einen solchen „ÖkoEnergieFonds“ wäre die Bildung einer intermediären Institution, die wirtschaftlich agiert, zugleich gemeinwesenorientierten Zielen folgt und individuelle Teilhabe ermöglicht, eine neue Form des Kapitalismus, die, wenn man so will, mehr Sozialismus in sich trägt.

Folgendes Szenario wäre denkbar: Verkauf der Gesamtanteile von 50,8 Prozent an einen ökologisch orientierten Energiekonzern unter der Bedingung,

1., daß zuvor in der Satzung der Bewag eine nachhaltige Energiepolitik detailliert als Unternehmensziel festgeschrieben wurde,

2., daß in Höhe der Sperrminorität innerhalb einer bestimmten Frist die Anteile von einem „ÖkoEnergieFonds“ erworben werden, wobei der Fonds per Satzung von Beginn an die Stimmrechte in Höhe von 25 Prozent und einer Stimme hat und

3., daß dem Fonds die Vorkaufsrechte eingeräumt werden.

Haushaltssanierung ohne Reformpolitik ist nicht zu machen, Reformpolitik muß zuallererst finanzpolitische Spielräume für eine Wiedergewinnung der Politik schaffen. In diesem Sinne wäre – bei anderen politischen Mehrheiten – eine Vermögensveräußerung sogar doppelt produktiv, da die Vermögen nicht nur entäußert, sondern auch wieder angeeignet werden: erstens durch die Gewinnung von Finanzmitteln zur Haushaltssanierung und zu einem relevanten Teil für die Auflage eines Zukunftsfonds und zweitens durch Bildung eines neuen Typs von Infrastrukturunternehmen, in das die ökologischen Ziele zugleich als wirtschaftliche implantiert sind.