Ein Klotz in der Tür zur Demokratie

■ Opposition will in der Slowakei die Direktwahl des Präsidenten durchsetzen

Presov (taz) – Für die Opposition geht es jetzt ums Ganze. Mit einer Protestversammlung in der slowakischen Hauptstadt Bratislava begann gestern die Kampagne für ein Referendum zur Direktwahl des Staatspräsidenten. Ab heute werden im ganzen Land Unterschriften gesammelt, damit das Staatsoberhaupt nicht mehr mit einer Dreifünftelmehrheit des Parlaments, sondern vom Volk berufen wird. Um ein Referendum zur Verfassungsänderung in Gang zu setzen, müssen in zwei Monaten weit mehr als 350.000 Unterschriften gesammelt werden.

Damit will die Opposition die Pluralität retten. Die Amtszeit des jetzigen Präsidenten Michal Kovac, für viele der Garant der slowakischen Demokratie und Erzwidersacher des machthungrigen Premierministers Vladimir Meciar, läuft im März nächsten Jahres aus. Es ist ausgeschlossen, daß die Koalition einen Kandidaten der Opposition zuläßt. Die knappe Mehrheit der Koalition reicht auch nicht für einen Präsidenten aus den eigenen Reihen. Bei gegenseitiger Blockade drohe dann eine Verfassungskrise, so die Opposition.

Politisch geht es der Opposition darum, die Popularität der Institution des Präsidenten und von Kovac persönlich auszunutzen, um der Regierung drei Monate vor den Parlamentswahlen eine empfindliche Niederlage zu bereiten – und um ihren eigenen Einigungsprozeß voranzutreiben. Die Kampagne für das Referendum, für den Satiriker Julius Satinsky ein „Klotz, der die Tür offen hält, hinter der die Demokratie steht“, wird von sieben Parteien getragen: drei bürgerlichen, drei ungarischen der „magyarischen Koalition“ sowie einer unbedeutenden sozialdemokratischen Partei. Die wichtigere Linkspartei (SDL) beteiligt sich nicht an der Kampagne.

Die aber kann durchaus zum Fiasko werden und damit Meciar das Geschäft erleichtern. Ist die Petition erfolgreich, müssen sich am Referendum 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen. 50 Prozent davon müssen zustimmen, das sind 980.000 Stimmen. Bei den letzten Wahlen erhielten die sieben Parteien nur 935.000 Stimmen. Für die Regierungskoalition ist es also naheliegend, das Referendum durch Nichtteilnahme zu kippen.

Bedeutsamer noch sind Rechtsfragen, weil die slowakische Verfassung einige Unklarheiten aufweist. Die Verfassung läßt Referenden „über wichtige Fragen des öffentlichen Interesses“ zu, sagt aber nicht, ob auch verfassungsändernde Volksabstimmungen möglich sind. Über das Parlament heißt es, es sei das einzige verfassungsgebende Organ; zur Verfassungsänderung bedürfe es einer Dreifünftelmehrheit der Abgeordneten. Und schließlich nennt die Verfassung Themen, mit denen sich Referenden nicht beschäftigen dürfen: Grundrechte, Steuern und der Haushalt gehören dazu – schwer vorstellbar, daß es mit der Verfassung vereinbar wäre, sie selbst per Referendum zu machen.

Das hat auch die SDL bewogen, sich nicht am Referendum zu beteiligen. Sagt sie – verfügt aber über eine Alternative. Im letzten Sommer hatte die SDL Meciar unterstützt, als dessen Koalition auseinanderzubrechen drohte. Wenn sich Meciar und SDL auf einen Präsidenten einigen, ist die Dreifünftelmehrheit da, von einer Verfassungskrise keine Spur und der Rest der Opposition blamiert. Dietmar Bartz