"Nach der Opposition richten"

■ Der frühere Bundeswirtschaftsminister und heutige FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff spricht sich gegen das Kontaktbüro der deutschen Wirtschaft in Birma aus, das Ende Januar eröffnet werden soll

Die birmesische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi hatte vorgestern an die deutsche Öffentlichkeit appelliert, ein von deutschen Unternehmen geplantes Investitionsbüro in Birmas Hauptstadt Rangun zu verhindern. Sie begründete das damit, daß Investitionen lediglich der herrschenden Militärdiktatur zugute kämen. In Birma ist Zwangsarbeit an der Tagesordnung. Das Büro, an dem sich die Deutsche Telekom, die Dresdner Bank, ABB und fünf andere Firmen beteiligen wollen, soll zunächst der Marktbeobachtung dienen, wie ein Telekomsprecher sagte. Zugleich wurde bekannt, daß die Messe München GmbH mit Unterstützung der bayerischen Landesregierung im Oktober eine Technologiemesse in Birma organisieren will.

taz: Warum sind Sie für einen Boykott der deutschen Wirtschaft gegenüber Birma?

Lambsdorff: Weil es sich bei Birma um eines der schlimmsten Folterregime der Welt handelt. Die Menschenrechtsverletzungen der birmesischen Führung werden weltweit angeklagt, und deswegen sollten wir hier Zurückhaltung üben.

Sollte Birma nur bei Investitionen oder auch beim Handel boykottiert werden?

Ich halte es für wesentlich, mich nach den Wünschen und Forderungen der demokratisch gewählten Oppositionsführung von Aung San Suu Kyi zu richten. Sie hat sich bisher nicht gegen Handelsbeziehungen ausgesprochen, aber gegen Investitionen und gegen die Eröffnung des deutschen Investitionsbüros, und das ist mir wichtig, deswegen unterstütze ich sie bei der Forderung, dieses Vorhaben fallenzulassen.

Die Eröffnung des sogenannten Kontaktbüros der deutschen Wirtschaft wäre das falsche Signal?

Zur Zeit gehört das nicht nach Birma.

Sprecher beteiligter Firmen sagen, sie würden das Büro nur zur Beobachtung nutzen, investieren wollten sie momentan gar nicht. Ist das realistisch?

Nein, das ist unrealistisch und eine Ausrede und erinnert mich an das bekannte russische Sprichwort, wenn die Katze einen weißen Schnurrbart hat, muß ihr eine sehr gute Ausrede einfallen. Diese Ausrede ist nicht gut.

Ein Vertreter des Ostasiatischen Vereins, der das Büro koordiniert, hat gesagt, man bedaure die politische Situation in Birma, habe aber keine politische, sondern nur wirtschaftliche Ambitionen. Können Unternehmer in Birma unpolitisch sein?

Nein, das können sie natürlich nicht und insbesondere nicht deutsche Unternehmer. Ich könnte mir denken, daß manche Vorständler der I.G. Farben ähnlich argumentiert haben.

Die FDP steht sonst auf dem Standpunkt: Investitionen stärken Wirtschaftsaufschwung und Mittelschicht, womit die Chancen demokratischer Reformen wachsen. Warum gilt das nicht für Birma?

Bei diesem Regime hat sich bisher auch nicht das leiseste Anzeichen für eine politische Lockerung gezeigt.

Und weil zweitens die von Aung San Suu Kyi vertretene Mehrheit der Birmesen gegen solche Investitionen ist.

Sie sind zur Zeit in Südafrika, das in der Vergangenheit auch von Teilen der Welt boykottiert wurde. Welche Lehren lassen sich aus dem Fall Südafrika für Birma ziehen?

Erstens: Unter gewissen Umständen, die man genau überprüfen muß, können wirtschaftliche Sanktions- und Boykottmaßnahmen zum Erfolg führen. Zweitens: In Südafrika haben sie zum Erfolg geführt. Drittens: Sie müssen dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen. Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung darf man so etwas nicht tun. Das war hier in Südafrika der Fall. Viertens: Jeder muß wissen, daß bei Sanktionen von irgend jemand, und das ist immer die betroffene Bevölkerung, ein wirtschaftlicher Preis gezahlt werden muß. Das ist jetzt auch in Südafrika der Fall, aber alle sagen, wir haben die Freiheit wieder und die Apartheid abgeschafft, das ist diesen Preis wert. Und daraus ziehe ich meine Schlüsse auch für die Situation in Birma. Interview: Sven Hansen