Blau-weiße Ostliebe

■ In Wildbad Kreuth entdeckt die CSU ihre Liebe zu Ostdeutschland und kocht die Ausländerthesen herunter

Etwas abseits von Lodenmänteln über feinem Zwirn, Trachtenhüten, blankpolierten schwarzen Schuhen, die von drängelnden Kameras, Mikrofonen und Notizblöcken umstellt sind, steht eher unbeachtet ein kleiner, blaßgesichtiger Mann in Trenchcoat mit grauem Strickpullover, der überhaupt nicht dazuzugehören scheint.

Viele scheinen den Exbürgerrechtler und Bündnisgrünen Konrad Weiß, Gast der CSU auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth, nicht näher zu kennen. Und wie gut kennt sich die CSU mit ihrem Gast und dessen Lebensumfeld aus? Zweimal redet Generalsekretär Bernd Protzner vor laufenden Kameras von einer gewissen Vera Lengsdorf, die doch eigentlich Lengsfeld heißt. Auch Konrad Weiß scheint selbst irgendwie nicht richtig angekommen zu sein. Die CSU heißt bei ihm gelegentlich CDU.

Eine interessante Attraktion, ein Zugpferd für die 21. Klausurtagung in Wildbad Kreuth ist der Gast aber allemal. CSU-Pressesprecher Seitz spricht vom „tollen“ Instinkt seines Chefs, des Landesgruppenchefs Michael Glos, der Weiß schon eingeladen habe, bevor einige Ex-DDR-Bürgerrechler von den Bündnisgrünen zur CDU übertraten. Die CSU ist an diesem Tag in einem Dilemma: Außer Rückzugsgefechten gibt es nicht viel Neues zu berichten. Die Musik spielt in Bonn, wo Bundeskanzler Kohl gestern den Kreuthern durch eine Pressekonferenz die Show stahl, und durch Wolfgang Schäuble, der seine Ambitionen über ein Stern-Porträt auf die Kanzlerschaft angemeldet hat.

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sieht an diesem Donnerstag vormittag „sehr viele Gemeinsamkeiten“ mit Konrad Weiß. Im CSU-Papier „Wider das Vergessen“ hat der Exbürgerrechtler offensichtlich seine Spuren hinterlassen. Es finden sich zahlreiche Bemerkungen, die Weiß ähnlich am Vortag im taz-Interview gesagt hatte. So heißt es in dem Papier: „Die DDR ist tot, aber ihre Ideologie, Taktik, Denk- und Handlungsweise lebt in der PDS/SED fort.“ Oder: „Gegen Nostalgiebestrebungen gilt es, entschiedenden Widerstand zu leisten.“ Hat Weiß etwa mäßigend auf die CSU-interne Diskussion über die Arbeitserlaubnis von Ausländern gewirkt? In einem Arbeitspapier hatten die CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Ramsauer und Ernst Hinsken gefordert, Nicht-EU-Ausländern fünf Jahre lang keine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Michael Glos rudert jedenfalls kräftig zurück. Es habe im Vorfeld ein bißchen Wirbel um dieses Thema gegeben, sagte er abwiegelnd. Dabei habe man sich nur berechtigte Gedanken über die Verringerung der Arbeitslosigkeit gemacht. Dies solle aber in erster Linie mit marktwirtschaftlichen Mitteln, etwa durch Investitionsanreize, erreicht werden. Unverbindlich sagt er, das Papier solle in die weiteren Beratungen mit der CDU Eingang finden. Als Zustimmung zu seinen beiden Kollegen bleibt lediglich der Satz: „Es gibt zuviel Beschäftigung von Nicht- EU-Ausländern. Moderate Töne auch zur FDP, obwohl doch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber die Liberalen gerade erst als Partei der „sozialen Kälte“ gebrandmarkt hatte. Generalsekretär Protzner lehnte dies ausdrücklich ab. Dies sei nicht Ziel der CSU. Es habe sich um einen Alleingang der bayerischen Staatskanzlei gehandelt. Protzner bezeichnet die FDP lieber als Klientelpartei, weil sie sich zugunsten der Besserverdienenden auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags konzentriere. Prügel bekommt dafür der SPD-Chef Oskar Lafontaine. „Die 13 Irrtümer Oskar Lafontaines“ ist ein exklusiv in Wildbad Kreuth erarbeitetes Papier überschrieben. Auch die Grünen bekommen ihr Fett ab. Für Michael Glos sind nun die „Westgrünen“ die Partei der sozialen Kälte, weil sie Arbeitsplätze verhinderten. Nur die „Westgrünen“ wohlgemerkt. Konrad Weiß wird auch dies gern zur Kenntnis nehmen. Markus Franz