Achmed mit den Scherenhänden

■ Im Kino 46 wird ein siebzig Jahre altes Cineasten-Kleinod ab heute live orchestriert

ib mir mal ein ,c'!“, ruft einer. „Bruno, das Verlängerungskabel?!“, fragt ein anderer. Es geht chaotisch zu. Denn das Landesjugendorchester probt seinen ersten Live-Auftritt als Filmorchester: „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ heißt der Streifen. Es ist ein 70 Jahre altes cineastisches Kleinod in Scherenschnittechnik von Lotte Reiniger und zugleich der erste abendfüllende Animationsfilm der Kinogeschichte, der ab heute im Kino 46 gezeigt wird. Als Bonbon gibt es den Vorfilm „Ein Scherenschnittfilm entsteht“ – ebenfalls von Lotte Reiniger, der hochdekorierten Grande Dame des Silhouettenfilms, die bis zu ihrem Tode 1981 ein Gesamtwerk von 40 Filmen produzierte.

„Eigentlich sind wir ein Kammerorchester“, erklärt Stefan Geiger, der Posaunist und Leiter des Orchesters. Mit knapp 30 Jahren wirkt der Dirigent selbst noch recht jugendlich. „Für dieses Projekt haben wir uns Verstärkung geholt.“ So kichern, frotzeln und diskutieren 23 Jugendliche und junge Erwachsene nervös im improvisierten „Orchestergraben“, für den im Kino 46 zwei Stuhlreihen weichen mußten. Dann sind endlich alle mit Licht und Noten versorgt, und Geiger mahnt zur Konzentration.

Zunächst muß das richtige Filmtempo gefunden werden. Es variiert zwischen 20 und 22 Bildern pro Sekunde oder etwa 21 und ein Viertel. Das Kino 46 ist als einziges Bremer Lichtspieltheater mit einem Projektor ausgestattet, an dem die Filmlaufgeschwindigkeit entsprechend flexibel eingestellt werden kann. Das Schattenspiel aus den goldenen 20er Jahren – in dreijähriger mühevoller Detailarbeit entstanden – breitet sich auf der Leinwand aus. 130.000 Einzelbilder ergeben 71 Filmminuten voller Spitzendeckchenpoesie. Wolfgang Zeller schrieb seinerzeit die passende Musik. Jahrelang galt die Partitur als verschollen. Anhand des vor Kurzem wieder aufgetauchten Klavierauszugs haben der Frankfurter Komponist Gerhard Müller-Hornbach und Zellers Sohn sie rekonstruiert und eine Fassung für „großes Orchester“ erarbeitet.

Im Kino 46 gibt es MTV einmal andersherum: Die Filmmusik begleitet und erklärt die Bilder. Jede Figur hat ihr eigenes Leitthema; ebenso die verschiedenen dramatischen Situationen. Wenn die soeben von Achmed entführte liebreizende und ornamentgeschmückte Prinzessin plötzlich in Liebe zu ihm entbrennt, schmachten die Geigen so schööön – da fällt es gar nicht auf, daß keine verbalen Liebesbeteuerungen gehaucht werden. Wenn der böse Zauberer erscheint, donnern Posaune und Pauken los. Und wenn – „Beim Barte des Propheten“ – Gefahr im Verzug ist, blasen die Flöten und Klarinetten schrill Alarm.

Aber Achmed ist jung und geht keinem Abenteuer aus dem Weg. Der schöne Prinz mit den riesigen Scherenschnittaugen wird vom Pferd des Zauberers entführt. Das Orchester wirbelt die Musik mit ihm durch die Luft, via Sonne ins Land Wak-Wak. Schnitt.

Die Filmspule muß gewechselt werden, der Dirigent sagt eine Pause an. Die MusikerInnen haben rote Apfelbäckchen vor Anstrengung. Und die ProbenbesucherInnen tauchen nur mit Mühe aus tausendundeiner Nacht auf, die zwar schwarz-weiß daherkommt, aber mit ihrer überbordenden Phantasie gefangennimmt. ali baba

„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ mit orchestraler Live-Begleitung am 11., 12. und 13.1. um 20.30 Uhr sowie am 12., 18. und 19.1. um 16 Uhr im Kino 46