■ Vorschlag: Wie immer out of space: Wild Billy Childish im Roten Salon und HTC
Komische Menschen und Sonderlinge werden gern auch Exzentriker genannt. In Großbritannien gibt es davon bekanntlich viele. Ins Pop-Busineß kommen sie meist durch die Hintertür geschlichen. Rausgeschmissen werden sie von dort nie, zu out of space sind sie: Man denke an Julian Cope, Alan Jenkins oder Lawrence von Felt. Oder eben an Wild Billy Childish, wie man weiß, der Welt berühmtester Spezialist in North-Kent-Literature. Der produziert seit 1979 seine Künste konsequent vorbei an Bedürfnissen, die von Trends, Szenen oder Märkten geweckt werden. Sei es als Musiker, Maler oder Poet.
Ähnlich wie für Nikki Sudden scheint für Childish das Leben aus nie endenden Sommerferien zu bestehen. Sein Tun bezeichnet er insofern auch als reines Hobby, obwohl sein immenser Output eine andere Sprache spricht. Am Fließband produziert er zu Hause seine Platten mit zahlreichen Bands, beispielsweise den Blackhands, den Delmonas oder den Headcoats; über zwanzig kleine Gedichtbände gibt es von ihm, und bei seinen Holzschnitten und Ölgemälden stehen Geschwindigkeit und Spontaneität vor Perfektion. Doch die Erklärung, er arbeite deswegen soviel, weil er halt nichts mit der schmutzigen, kommerzverseuchten Welt da draußen zu tun haben wolle, wirkt einleuchtend. Perfektionieren möchte er nur seinen Status als Amateur, seine Unabhängigkeit und Unkommerzialität.
Childishs Songs klingen sumpfig, bluesig und sind natürlich absoluter Mono-Rock'n'Roll – die Sixties, Punk und alle Garagen dieser Welt lassen grüßen; seine Gedichte sind lakonisch und verstörend: „I am only / a man / born that way / it is hard / to be“, heißt es in einem, und erkennt man auf seinen urwüchsig-archaischen Bildern auch die Einflüsse deutscher Expressionisten, malt Childish jedoch bewußt rauher, ehrlicher und amateurhafter, gemäßt der Devise: In fünf Minuten sollt ihr mich erkennen.
Als „highly talented business losers, just a couple of milkshakes“ hat Childish sich und seine Sinnesgenossen bezeichnet, und wenn das irgendwann nicht mehr so sein sollte, dann wird der Mann sich wahrscheinlich ernsthaft Gedanken machen müssen. Rührend das, und wirklich out of time, dabei aber unerbittlich. Gerrit Bartels
Heute abend liest Wild Billy Childish ab 23 Uhr im Roten Salon der Volksbühne aus seinem ersten Roman, „My Fault“; am Sonntag wird die Ausstellung „Made with a passion“ mit Bildern von Wild Billy Childish um 20 Uhr im HTC, Neue Schönhauser Straße 19, eröffnet.
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