Guter Freund, mieser Verlierer

Zvi Sherf, Trainer von Maccabi Tel Aviv, war sehr vergrätzt über die Niederlage seines Teams bei Alba Berlin in der Basketball-Europaliga  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Schwerstarbeit hatte Randy White, der gutgenährte, aber gewandte Center von Maccabi Tel Aviv, gerade im Europaliga-Match bei Alba Berlin verrichtet. 40 Minuten durchgespielt, 20 Punkte geworfen und 15 Rebounds gegriffen, sechs davon unter dem Brett der Berliner. Genützt hatte es am Ende nichts, die Mannschaft aus Israel verlor mit 65:70. Dennoch war der Arbeitstag des 29jährigen US-Amerikaners, der fünf Jahre bei den Dallas Mavericks spielte, noch längst nicht beendet. Trotz offenkundiger Erschöpfung übernahm er auf dem Weg in die Kabine freiwillig die schwierige Aufgabe, Albas temperamentvollen Coach Svetislav Pesic zu bändigen.

Dieser war außer sich, weil Maccabi-Trainer Zvi Sherf, „ein guter Freund“ (Pesic), die Dreistigkeit besessen hatte, ihm zu empfehlen, sich für den Sieg bei den Schiedsrichtern zu bedanken. „Wir beide gehören mit zu den besten Trainern Europas, wir müssen die Schiedsrichter unterstützen“, ereiferte sich Pesic noch viel später, um sogleich diverse Szenen aufzuzählen, in denen sein Team benachteiligt wurde: „Aber wir beschweren uns nicht.“ Die Versuche, seine Ansichten dem Kollegen noch auf dem Platz in drastischer Form nahezubringen, wurden jedoch von Randy Whites entschlossener Defense vereitelt. „Er hat gesagt, ich solle mich beruhigen“, erzählte Pesic später mit leichtem Grinsen, „Zverf sei sowieso nicht ganz...“ Ein schlechter Verlierer eben.

Tatsächlich waren die Vorwürfe des israelischen Coaches ziemlich verfehlt, und er mochte sie in der Pressekonferenz auch nicht mehr wiederholen. Viel eher hätte er das krankheitsbedingte Fehlen seines Topscorers Alphonso Johnson anführen können, aber auch das wollte er nicht als Entschuldigung gelten lassen. Vielmehr sei die bessere Freiwurfquote und das leicht bessere Rebounding der Gastgeber ausschlaggebend gewesen. Dies bezog sich vor allem auf die letzten zehn Minuten, als die Kräfte von Randy White erlahmten und beide Teams kaum noch Punkte gelangen.

Alba hatte hochkonzentriert begonnen, war schnell mit 17:5 in Führung gegangen und ließ sich auch durch einige kuriose Ballverluste nicht aus der Fassung bringen. Tel Aviv holte jedoch durch White und Israels besten Basketballer Doron Sheffer, der im Sommer von den Los Angeles Clippers gedraftet wurde, aber lieber bei Maccabi unterschrieb, immer wieder auf. Mitte der zweiten Halbzeit kam die Offensive der Berliner, denen in dieser Phase sogar einige Dunks gelangen, noch einmal in Schwung, sie zogen auf 61:51 davon, aber Sherf nahm eine Auszeit, justierte seine Deckung, und von nun an war Sendepause. Vier Minuten lang gelang Alba kein Punkt und bis zur Schlußsirene nur noch ein einziger Feldkorb durch Wendell Alexis.

Zum Glück für die Berliner hatte auch Maccabi in der Offensive nicht mehr viel zu bieten, und am Ende konnte Alba dank der verwandelten Freiwürfe von Rödl, Harnisch und Alexis sowie eines Blocks von Hupmann gegen Katash in den letzten Sekunden den Vorsprung über die Zeit bringen. Den Ball in einem Arm, den anderen triumphierend in die Höhe gestreckt, ließ Henning Harnisch die restliche Zeit unter dem Jubel der 8.500 Zuschauer in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle verstreichen.

Nachdem Svetislav Pesic das Thema „Schlechte Verlierer“ abgehakt hatte, ging er sogleich daran, den ersten Zwischenrundensieg in die richtige Relation zu rücken. „Eigentlich hat sich nichts verändert“, stellte er nüchtern fest. Die Gruppe E ist bis auf das sieglose Charleroi sehr ausgeglichen, und um den für das Achtelfinale nötigen Rang vier zu erreichen, muß in den Partien gegen ZSKA Moskau, Stefanel Mailand sowie in Tel Aviv noch einige Male gewonnen werden. Und beim nächsten Match in Moskau, weiß Hendrik Rödl, wird es nicht nur „schwierig“, sondern vor allem: „Kalt.“