Das Ende einer Crashfahrt

Volkswagen muß 100 Millionen Dollar Schadenersatz an General Motors zahlen und außerdem sieben Jahre lang Zulieferteile kaufen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Hannover (taz) – Der Krieg der Autogiganten ist zu Ende. Kein öffentliches Schuldeingeständnis von Volkswagen, dafür aber eine Schadenersatzzahlung an General Motors in Höhe von 100 Millionen Dollar – mit diesem Vergleich haben VW und GM am Donnerstag einen fast vierjährigen Kampf beendet. Begonnen hatte er im März 1993 mit dem plötzlichen Wechsel von José Ignacio López und seinen geheimen Unterlagen von Detroit nach Wolfsburg.

General Motors hat sich jetzt auch bereit erklärt, die in den USA anhängige Klage gegen VW auf Schadenersatz zurückzuziehen. Damit ist der zivilrechtliche Streit der beiden Automobilkonzerne beigelegt. Über die 100 Millionen Dollar hinaus hat sich Volkswagen im Gegenzug verpflichten müssen, in den nächsten sieben Jahren von General Motors Autoteile im Wert von einer Milliarde Dollar zu kaufen. Der Wolfsburger Autobauer will zudem zwei weitere López-Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigen, die wie ihr Chef wegen Industriespionage angeklagt sind. Dem seit einem Monat selbständigen López darf der Wolfsburger Autobauer außerdem bis zum Jahr 2000 keine Aufträge erteilen.

Festgeschrieben haben die beiden Autokonzerne ihre Einigung in der López-Affäre in zwei Briefen. Für VW unterschrieben der Aufsichtsratschef Klaus Liesen und der Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piäch, für General Motors die Direktoren John G. Smale und John F. Smith. Während die GM- Chefs in ihrem Schreiben lediglich bedauern, „daß die Auseinandersetzung zwischen unseren Gesellschaften in einem solchen Ausmaß eskaliert ist“, mußten Liesen und Piäch in ihrem Brief etwas mehr Reue zeigen. So erkennen sie für Volkswagen zumindest die „Möglichkeit an, daß es zu rechtswidrigen Handlungen der Herren López, Gutierres Alvarez und Piazza gekommen sein kann“. Außerdem nehmen sie mehrere Vorwürfe, die sie im Verlauf der öffentlichen Auseinandersetzung gegen GM erhoben hatten, zurück und bedauern diese. Dazu zählt auch der schon 1993 erhobene Vorwurf, GM oder Opel haben VW im Zuge der Affäre „Beweise untergeschoben“ oder solche „vorgetäuscht“. Die VW-Oberen sehen im Verhalten ihres Konkurrenten nun auch nicht mehr „einen Angriff auf den Standort Deutschland“. Liesen und Piäch widerrufen des weiteren den Vorwurf, daß GM oder Opel „nur das Image von Volkswagen schädigen oder Volkswagen bzw. das Volkswagen-Management verleumden“ wollten.

Das Aufsichtsratspräsidium von VW hatte den Vergleich mit GM schon am Donnerstag morgen abgesegnet. Bekanntgegeben haben ihn Volkswagen und General Motors dann am späten Donnerstag abend durch eine gemeinsame Presseerklärung, die von einer „Lösung und Beilegung der Auseinandersetzung“ spricht. Auch die Absicht beider Seiten, nunmehr „unbelastet in die Zukunft zu blicken“, wird beteuert.

Der Vorstandsvorsitzende der Adam Opel AG, David J. Herman, interpretierte gestern in Rüsselsheim die Einigung etwas anders als VW-Pressechef Klaus Kocks. Herman bezeichnete die 100 Millionen Dollar explizit als „finanzielle Kompensation für den angerichteten Schaden“, als „direkte Schadenersatzzahlung“. VW-Sprecher Kocks hatte dagegen behauptet, daß die 100 Millionen Dollar lediglich jenen Anwaltskosten entsprächen, die VW im Falle eines Erfolges in einem Zivilprozeß ohnehin hätte zahlen müssen. Auch den Hinweis, daß „die strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland und den USA weitergehen“, konnte sich Opel-Chef Herman gestern nicht verkneifen.

Die Analysten gaben indessen nicht nur GM gute Karten an den Börsen. Auch für VW sei die Einigung vorteilhaft. Die 100 Millionen Dollar Schadenersatz seien billig im Vergleich zu den fünf Milliarden, die im Herbst als GM- Forderung im Raum standen. Nach Schätzung von Jürgen Pieper, Autoexperte bei der Deutsche- Bank-Tochter Deutsche Morgan Grenfell, entspricht die VW-Abnahmeverpflichtung gegenüber GM nur rund 0,3 Prozent des VW-Einkaufsvolumens.

Den Kompromiß auf den Weg gebracht hatten vor allem Vertreter der Aktionäre, die in den letzten Monaten den Kompromiß in Geheimgesprächen vorbereitet hatten, von denen sogar die Vorstände nichts wußten.