Ungebeten Gast im grünen Haus

■ Bei ihrer Klausur haben die Grünen über eine Koalition mit der SPD geredet. Aber die PDS bestimmte die Schlagzeilen

Wörlitz (taz) – Am Beginn der Klausur stand für die Fraktionssprecherin Kerstin Müller die Erwartung eines deutlichen „rot-grünen Signals“. Mit Wolfgang Clement und Rudolf Dressler hatten die Bündnisgrünen erstmalig zwei namhafte Sozialdemokraten eingeladen, die – jeder auf seine Weise – für ein besonders streitbares Verhältnis zum potentiellen Koalitionspartner berüchtigt sind. Daß das erhoffte Signal am Ende eher gedämpft erklang, ist ihnen geschuldet. Daß statt dessen eine Fanfare gegen die PDS ertönte, daran hatte die Fraktionssprecherin entscheidenden Anteil.

Während Fraktionschef Joschka Fischer am Donnerstag nachmittag den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in die Klausurrunde bat, um die „große Koalition“ zu schließen, ereiferte sich vor der Tür der parlamentarische Geschäftsführer Werner Schulz über die „Stuß-Erklärung“ aus Erfurt, in der eine Reihe von linken Intellektuellen ein Bündnis aller Oppositionsparteien zur Ablösung der Regierung Kohl gefordert hatten. Für den Sachsen war klar, daß statt dessen eine deutliche Absage an jegliche Zusammenarbeit mit der PDS erforderlich sei. Zuvor hatte die Fraktion und die Parteispitze den Übertritt der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld zur CDU debattiert. Trübe Aussichten, sollte sich ein solcher Schritt wiederholen, womöglich wenige Monate vor der Bundestagswahl.

Doch während Schulz am Büffet bereits davon ausging, daß eine entsprechende Resolution zur PDS verabschiedet werde, sah der wenige Meter entfernt kaffeetrinkende Parteisprecher Jürgen Trittin „keinen Erklärungsbedarf“. Und wenn es einen solchen Bedarf gebe, so schob er hinterher, dann sei es der Bundesvorstand, der ihn zu decken habe.

Und während sich in diversen Gesprächen herausschälte, daß eine gemeinsame Erklärung von Partei und Fraktion wohl nicht zustande kommt, zerstreute Clement wieder die Erwartung, die er bei seinem Eintreffen mit der Äußerung „Mit den Grünen gibt es mehr Gemeinsamkeiten als vielfach angenommen“ geweckt hatte. Das wurde ihm prompt als das rot- grüne Signal ausgelegt.

Diesen Eindruck vermochte Clement auch mit seinen glasharten wirtschaftspolitischen Positionen nicht zu schmälern. Einen „scharfen Dissens“ machte hinterher Joschka Fischer beim Thema Braunkohletagebau aus. Bei der Ökosteuer steuert der Sozialdemokrat eine europäische Lösung an, während die Bündnisgrünen auch national vorpreschen würden. Darin erkannte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Michaele Hustedt, eine „grundsätzlich andere Philosophie“. Im Gegenzug attestierte Clement den Bündnisgrünen, ihre Positionen seien 1998 „so nicht umsetzbar“. Und in kleiner Runde betonte er gar, daß er „keine Festlegung auf Rot-Grün will“. Eine Große Koalition wäre zwar nicht seine Lieblingsidee, es sei aber gut, wenn die SPD mehrere Wahlmöglichkeiten habe.

Während so das rot-grüne Signal von der sozialdemokratischen Mehrstimmigkeit wieder mal überlagert wurde und während sich alle Seelachs und Roulade zuwandten, feilten abseits der gelösten Abendstimmung Schulz und Müller an der Wörlitzer Erklärung. Die verlangte vor allem der Fraktionssprecherin Zugeständnisse ab, hatte sich Kerstin Müller doch immer gegen Unvereinbarkeitsbeschlüsse ausgesprochen.

Gegen Mitternacht wurde Einigkeit signalisiert, am gestrigen Morgen in großer Runde kaum Diskussionsbedarf mehr angemeldet. Die Bundesvorstandssprecher, von denen sich Müller sicher war, daß sie „auf unserer Linie sind“, waren bereits abgereist. Sie werden sich nun am Dienstag des Themas annehmen müssen. „Möglichst schnell“ erwartet Fischer eine Erklärung der Partei zur PDS, spätestens jedoch im Vorfeld von 1998, wenn ein Parteitag über Wahl- und Koalitionsaussagen für die Bundestagswahl befinden wird. Dann, so Fischer, werde auch kein rot-grüner Wahlkampf geführt. So wie die Klausur auch keine vorweggenommene Koalitionsverhandlung gewesen sei. So blieb nur enttäuscht: der Fraktionsarbeitskreis Umweltpolitik, dessen Wörlitzer Erklärung zum Klimaschutz gegen die Wörlitzer Erklärung zur PDS keinen publizitätsträchtigen Stand mehr hat. Dieter Rulff