Parlament in Sofia brennt

■ Demonstranten protestieren gegen Sozialisten und fordern Neuwahlen

Sofia (AFP) – Regierungsfeindliche Demonstrationen in Bulgarien sind gestern in Gewalt umgeschlagen. Am späten Nachmittag drangen nach Angaben der bulgarischen Nachrichtenagentur BTA rund 500 Menschen in das Parlamentsgebäude ein und steckten es teilweise in Brand.

Bei den Protesten wurden zuvor nach Angaben der Polizei fünf Menschen verletzt, darunter drei Polizisten. Ein privater Radiosender berichtete von zahlreichen verletzten Demonstranten. Mehrere tausend Menschen nahmen an der bisher gewaltsamsten Aktion gegen die regierenden Sozialisten (BSP) teil. Diese hatten gestern bei einer Parlamentsdebatte die Forderung der Opposition nach Neuwahlen abgelehnt. Die Sozialisten werden von den Oppositionellen für die katastrophale Wirtschaftslage Bulgariens verantwortlich gemacht.

Die Demonstranten zogen zunächst durch die Innenstadt und belagerten das Parlamentsgebäude, um die sozialistischen Abgeordneten am Verlassen zu hindern. „Gebt uns die Roten!“ riefen die Belagerer. Die Polizei setzte Tränengas ein. Um in das Gebäude zu gelangen, zerschlug die aufgebrachte Menge mehrere Fensterscheiben. Die Abgeordneten versuchten nach Angaben des Privatradios Darik vergeblich, die Eindringlinge durch improvisierte Barrikaden aufzuhalten. In mindestens einem Saal des Parlamentsgebäudes und an einer Barrikade aus Sesseln und Schreibtischen wurden Brände gelegt.

Der im November zum Nachfolger des amtierenden Präsidenten Schelio Schelew gewählte konservative Petar Stoianow hatte sich am Nachmittag solidarisch mit den Demonstranten erklärt. Die Menschen „sind da, um Brot zu fordern“, sagte Stoianow, der Schelew am 22. Januar an der Staatsspitze ablösen soll. Die BSP hat die absolute Mehrheit im Parlament. Sie hatte am Dienstag den bisherigen Innenminister Nikolai Dobrow zum Nachfolger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Schan Widenow nominiert. Widenow hatte mit seinem Rücktritt Ende Dezember auf die katastrophale Wirtschaftslage im Land reagiert.