Bilder aus der Unterwelt

■ Jurastudenten zeigen Diashow aus der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen

Daß der verurteilte Täter in die Zelle kommt, ist Jurastudenten selbstverständlich klar. Doch wie es dort aussieht, können viele nur erahnen. Deshalb zeigten zwei Bremer Jurastudenten jetzt eine selbstproduzierte Ton-Dia-Schau über die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. Rund fünfhundert Erstsemestler kamen zu dieser Lehrveranstaltung der besonderen Art. „Wir brauchen uns keine Illusionen über den Strafvollzug zu machen“, hörten sie den anwesenden JVA-Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff sagen. Eine Einschätzung, die es bei einer Podiumsdiskussion über Strafvollzug mit Experten zu diskutieren galt.

Der „netteste Räuber Niedersachsens“, ein verrückter Karibikflüchtling und reißerische Pinup-Girls: All das bastelten die Studis Niels Albrecht und Andreas Eicker zu einer rund einstündigen Dia-show zusammen. Langsam tastet sich die Bilderserie von der Wäscherei über die Küche bis zum Krankensaal vor. Drogenkonsum, Prostitution und Alkoholismus im Knast – alles kommt zur Sprache.

Auch erste Reformansätze in der JVA werden vorgestellt: Seit einigen Monaten sind Häftlinge im neuen geschlossenen Gruppenvollzug untergebracht. In einem geschlossenen Gang mit tagsüber offenen Zellen leben heute nur noch rund zwanzig Strafgefangene. Jeder Justizvollzugsbeamte ist jetzt als sog. „Ansprechpartner“ für insgesamt vier Häftlinge da. Doch der Strafvollzug bleibt schwierig: Vom sog. „Drehtür-Effekt“ war die Rede. „Wer aus der JVA entlassen wird, ist auch bald wieder da“, sagt ein frustrierter Vollzugsbeamter. Von der „Erfolgsquote 0“ sprach ein anderer.

„Stimmt so nicht“, konterte der Bremer Strafrichter Berndt-Adolf Crome auf dem Podium. Nicht 80 Prozent der Straftäter würden rückfällig werden, „sondern es sind viel, viel weniger.“ Genauer gesagt nur 33 Prozent, so Cromes Statistik von 1992. Wenn man die Straftäter, die vor ihrer Bewährungsfrist entlassen wurden, zugrundelegt. Trotz niedriger Zahlen müsse man das Problem „Rückfall anpacken“, so Crome. Der Strafrichter fechtet deshalb gerade einen Streit vorm Arbeitsgericht aus. Crome will durchboxen, daß Bewährungshelfer schon vor der Entlassung eines Straftäters aktiv werden – um Entlassenen den Weg ins freie Leben zu erleichtern.

Verbesserungen müssen sein, findet auch der JVA-Anstaltsleiter Hoff. Er fordert mehr Freigang für JVA-Inhaftierte, mehr ambulante Hilfssysteme statt Vollzug sowie mehr Therapieeinrichtungen. „Wir sind nicht für Drogenabhängige oder psychisch Kranke eingerichtet. Das müßten eigentlich andere Häuser leisten“, kritisiert er.

Doch über solche Reformvorschläge kann der bekannte Bremer Politanwalt Heinrich Hannover nur lachen. Der Strafverteidiger: „Man kann das Strafsystem nicht reformieren. Man kann es nur abschaffen.“ Solch systemkritische Töne schmeckten dem studentischen Publikum: Sie spendeten trommelnden Applaus. Schließlich hieb Heinrich Hannover scharf auf „unsere Gesellschaft“ ein, „die irgendwie immer das Bedürfnis hat, Menschen zu bestrafen.“ Schon in den 60er Jahren hätten Rechtswissenschaftler deshalb über Alternativen nachgedacht. Und die würden bereits z.B. in Grönland erfolgreich praktiziert: Mörder nehmen in diesem Land die Rolle des Mordopfers in der betroffenen Familie ein – „wenn die Familie es will“, erklärt der Anwalt.

Ein Umgang mit Mördern und Vergewaltigern, den der Jurastudent und Diashowschöpfer Andreas Eicker nicht so ganz verstehen kann. Schließlich seien solche Menschen ja „irgendwie auch gefährlich.“ Darauf konnte Hannover nur eine Antwort geben: „Wenn man einen anderen Umgang mit Straftätern aufbauen will, ist das ein sehr langandauernder gesellschaftlicher Prozeß.“ So lange werden die Jurastudenten noch so manches Semester bestreiten – und so manche Ton-Dia-Show mit Applaus begleiten. kat