Dada-Spaß mit Bildungslücken

■ Das Ensemble Härtz setzt vor allem auf gepflegte Unterhaltung

Vieles hat Raum in den stets gut besuchten Konzerten der Galerie Chris Steinbrecher. Programm und Interpreten reichen von klassischer zu avantgardistischer Musik, von Profis zu einfallsreichen Laien, von Wort zu Ton. Am Freitag schien von allem etwas zusammenzukommen. Denn das Ensemble Härtz trat an zu einem Dada-Abend.

Das sechsköpfige Ensemble ist eine Gruppe von Halbprofis – die meisten haben in der Hansestadt Musikpädagogik studiert. Seit einigen Jahren machen sie mit ihrem Anliegen geradezu Furore, denn die vier Frauen und zwei Männer haben sich als Schwerpunkt die Pflege des Dada auf ihre Fahnen geschrieben.

Bis heute wissen kaum die VerfasserInnen der Lehrbücher, was Dada genau ist. Nur so viel: Dada war eine eine künstlerische Anti-Bewegung am Ende des ersten Weltkrieges, die alle künstlerischen Gebiete erfaßte und vor allem die Brücke zum Leben schlagen wollte. Insofern kennt Dada im Unterschied zum parallelen Futurismus keine Programme und will eigentlich die Verzweiflung über die Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Die Frage, ob ein Dada-Abend dieser Art an den historischen Auftrag der Bewegung, nämlich mit „Provokationen, Demonstrationen und Oppositionen den Spießer zur Wut und durch die Wut zum beschämten Erwachen zu8 bringen“, wie der Züricher Maler Hans Richter es ausgedrückt hat, überhaupt nur erinnern kann, muß verneint werden. Auch kann von einer neuen politischen oder ästhetischen Aktualität der Grundideen von Dada keine Rede sein.

Schon deshalb setzt das Ensemble Härtz einen anderen Schwerpunkt: den gepflegter Unterhaltung. Die phantastische Kostümierung aus sechs geometrischen Figuren und sechs verschiedenen grellen Farben (Elke Prieß) unterstützt diesen Aspekt. Im Zentrum des Konzerts stand das zentrale, vielleicht auch berühmteste Werk allen Dadas: Die 1924/25 entstandene „Ur-Sonate“ für einen Sprecher/Sänger/Schauspieler von Kurt Schwitters, die eine fiktive Lautsprache nach musikalischen Kriterien in ein Stück Sprachexpressionismus verwandelt. Das Ensemble Härtz machte das Solo zum Sextett und nannte die Fassung „Komposition“. Das war witzig, sauber und präzise erarbeitet; das war ambitioniert, stieß aber an die Grenzen des für diese Formation machbaren – wirkliche Komik und ästhetischer Biß fehlten dieser „Komposition“.

Anschließend „What a be“ und „...und die sieben“ von Schwitters. Hier demonstrierte das Ensemble Härtz leidlich spannende und gut geprobte Rhythmussysteme, die nicht selten in die Imagination von Melodien übergingen. So weit, so gut. Doch dann gab's doch noch eine kleine Provokation: Shakespeares Hamlet stand auf dem Programm: Zwei Ensemble-Mitglieder lasen mit Leier-Stimme abwechselnd die Reihenfolge der Personenauftritte.

Schließlich folgten die „Music for pieces of wood“ von Steve Reich, der mit seinen harmlosen minimalistischen Klapperstrukturen mit dem Anspruch von Dada nun wirklich gar nichts am Hut hat, sowie eine nette Wiedergabe von Gertrude Steins und John Cages „Story“ – beide genügen dem Avantgarde-Anspruch viel eher – und endlich nochmal Schwitters.

Spaß hat's gemacht. Wenn es dem eifrigen Ensemble gelingt, sowohl Idee als auch Technik kompromißloser zu schärfen, kann das Publikum in Zukunft einiges mehr von diesem Sextett erwarten.

Ute Schalz-Laurenze