Krötenschlucken für die Koalition

■ Vor dem Landesparteitag stellt sich der SPD-Vorstand hinter den Sparkurs von Finanzsenatorin Fugmann-Heesing: Leitantrag zum Totalverkauf der Bewag und zur Verwaltungsreform beschlossen

Wenn sich morgen abend gegen 22.30 Uhr die Pforten der Kongreßhalle am Alexanderplatz schließen, wird die Große Koalition aller Voraussicht nach um eine Bewährungsprobe reicher, das Land Berlin dagegen um einen Energieversorger ärmer sein. So jedenfalls hat es der Parteivorstand der SPD am Wochenende in seine Regieanweisung für den außerordentlichen Landesparteitag geschrieben. Doch nicht nur der Totalverkauf der Bewag steht auf der Tagesordnung, sondern auch die Verringerung der Bezirke von derzeit 23 auf 12 sowie die Reduzierung der Abgeordnetenmandate und Senatoren zur nächsten Wahl im Jahre 1999.

Am heftigsten umstritten ist unter den Sozialdemokraten immer noch der Bewag-Verkauf. Statt der bisher beschlossenen 25,8 Prozent sollen auf Wunsch von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing nun auch noch die restlichen 25 Prozent verkauft werden. Zur Begründung des Verkaufs aller Landesanteile heißt es im Leitantrag des Parteivorstands, daß die Interessen des Landes Berlin in einer Aktiengesellschaft auch in der Vergangenheit schon kaum durchsetzbar gewesen seien. Weil auch die Landesvertreter im Aufsichtsrat im Zweifel dem Wohl des Unternehmens und nicht den Landesinteressen verpflichtet seien, seien etwa „entscheidende Impulse des Aufsichtsrates der Bewag für eine zukunftsweisende Energiepolitik“ nicht zu verzeichnen gewesen.

Statt der von der SPD-Linken geforderten Beibehaltung einer Sperrminorität will die SPD-Führung vor allem den künftigen Investor in die Pflicht nehmen, um die Bewag in Berlin zu halten und Arbeitsplätze zu sichern. Die Skepsis der Linken gegenüber einem Totalverkauf kann damit allerdings nicht ausgeräumt werden. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus-Uwe Benneter sprach gar von einer „Milchkuh, die nun geschlachtet werden soll“. Aber auch rechte SPD-Politiker wie Hermann Borghorst wehren sich nach wie vor gegen die Aufgabe einer Sperrminorität. Entsprechend kanpp fiel die Beschlußempfehlung an den Parteitag im Landesvorstand aus. 13 Vorständler votierten für den Totalverkauf, der drei Milliarden Mark in die Landeskasse bringen soll, neun stimmten dagegen. Der rechte SPD-Flügel steht offenbar hinter Fugmann- Heesing. Bei einer Probeabstimmung über den Leitantrag gab es gestern von etwa 90 Anwesenden nur eine Neinstimme und zehn Enthaltungen, teilte Sprecher Frank Bielka mit.

Mit deutlich größerer Mehrheit setzten sich die Fraktionsspitze und die Finanzsenatorin in der Frage der Verwaltungsreform durch. Mit 16 Jastimmen, drei Neinstimmen und zwei Enthaltungen votierte der Landesvorstand damit für die Gebietsreform sowie die Verringerung der Abgeordnetenhausmandate auf 100 und eine Verkleinerung der Regierungsriege von derzeit elf aus sieben SenatorInnen. Insgesamt, so sieht es der Plan der Finanzsenatorin vor, sollen durch Vermögensaktivierung allein in diesem Jahr 4,2 Milliarden Mark erzielt werden. Neben dem Verkauf der Bewag und der Gasag und der angestrebten Zusammenlegung der Wasserwerke, der BSR und der Behala zu zu einer Aktiengesellschaft, um auch dort die Privatisierung voranzutreiben, ist auch an weitere Wohnungsverkäufe, die „Veräußerung von Liegenschaften in erheblichem Umfang“ sowie die vorzeitige Auflösung von Aufwendungsdarlehen der Wohnungsbaugesellschaft gedacht.

Für den SPD-Fraktionschef Klaus Böger ist die Frage der Vermögensaktivierung auch eine Frage der Koalitionsfähigkeit der SPD. „Die SPD muß ihre Regierungsfähigkeit dadurch beweisen, daß sie die Realitäten sieht und die Stadt mitgestalten will“, sagte Böger. Es sei nicht möglich, sich für Haushaltskonsolidierung einzusetzen, der Finanzsenatorin aber nicht den Rücken zu stärken. „Solche Schelmenstücke“, so Böger, „mache ich nicht mit.“

Von anderen Schelmenstücken, bei denen Böger mitgemacht hat, will die SPD-Spitze heute freilich nichts wissen. Grund für die Finanzkrise sei neben dem plötzlichen Wegfall der Bonner Subventionionen auch die „Unfähigkeit der Berliner Führung, seit 1991 der gänzlich gewandelten Finanzlage auch nur einigermaßen gerecht zu werden“. Als wäre die SPD nicht selbst an dieser Unfähigkeit beteiligt gewesen, geißelte der Landesvorstand gar, daß statt einer Umsteuerung in der Haushaltspolitik, „Milliarden neu in gigantomanische Großprojekte etwa für eine vage Olympia-Hoffnung“ gesteckt worden seien. Uwe Rada