Goldbach ist ihr Schicksal

■ Die Ringer des VfK Schifferstadt verlieren im Halbfinale um die Meisterschaft mit 6,5:13,5 gegen den AC Bavaria, der im KSV Aalen seinen Meister finden könnte

Schifferstadt (taz) – Vereinsjubiläen pflegen zuweilen über einen hereinzubrechen, wenn es gerade überhaupt nicht paßt. 1996 war weder für die Fußballer von Hannover 96, die in die Regionalliga Nord abstiegen, noch für den siebenfachen Deutschen Mannschaftsmeister im Ringen, den VfK Schifferstadt, ein Jubeljahr.

In der Pfälzer Rettich-Metropole hatte die Saison mit einem Paukenschlag begonnen. Der vom Ringen geradezu besessene Freistiltrainer Willi Heckmann war nach Differenzen mit seinem Griechisch-Römisch-Kollegen Frank Hartmann, einem ehemaligen DDR-Kaderathleten, gegangen. Der wiederum hatte wenig später fern von Schifferstadt während der Olympischen Spiele in Atlanta von seiner eigenen Entlassung erfahren. So gingen die erfolgsgewohnten Schifferstädter mit einem neuen Trainergespann, dem mehrmaligen Deutschen Meister Gerhard Sattel und Bogdan Daras, der gerade seine aktive Karriere beendet hatte, in die neue Runde.

Die Unruhe wurde noch größer, als Teile des Vorstandes gegen den inzwischen verstorbenen Vorsitzenden Robert Litzenburger rebellierten und ihn mangelnder Transparenz in Vereinsführung und Finanzgebaren ziehen. Diese Querelen gingen auch an den Männern auf der Matte nicht spurlos vorbei, und so fanden sie sich nach vier Kämpfen mit 0:8 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz wieder. Der Abstieg drohte!

Als wenig später erstmals nach sieben (!) Jahren eine Mitgliederversammlung stattfand, die mit Werner Schroeter einen neuen Vorsitzenden wählte, begann die Renaissance der Enkel des Wilfried Dietrich. Schröter, selbst einst Weltklasseringer und der letzte Trainer, der 1990 den Meistertitel geholt hatte, gelang es sogar, den abwanderungswilligen Armenier Alfred Ter-Mkrtchian zum Bleiben zu bewegen. Auch der alte Freistiltrainer Willi Heckmann kehrte zurück, und die Aufholjagd begann.

Derweil hatte sich der AC Bavaria Goldbach, an dem Schifferstadt in den letzten Jahren regelmäßig scheiterte, bereits mit dem potentiellen Finalisten KSV Aalen über Finaltermine und Austragungsorte geeinigt. Was den Schifferstädtern übel aufstieß! Um so entschlossener erklärten sie es zu ihrem Ziel, den Mainfranken die Suppe zu versalzen und selbst ins Finale einzuziehen. Doch vor Wochenfrist kehrten sie mit einem enttäuschenden 8:12,5 aus Aschaffenburg in die Pfalz zurück und waren erst einmal geknickt. Dann krempelten sie noch einmal die Ärmel auf. „Die Mannschaft ist letzte Woche zusammengerückt wie nie zuvor“, sprach Arawat Sabejew nach dem Rückkampf, die neue Saison bereits fest im Visier.

Realistisch gesehen standen die Schifferstädter durch den Stilartwechsel und viereinhalb Punkte Rückstand von Anfang an mit dem Rücken zur Wand. Im ersten Kampf vor 2.600 Zuschauern in der Schifferstädter Wilfried-Dietrich-Halle hielt der kleine Oliver Palik aus dem rauhen Westerwald, so gut es ging, dagegen, aber Stefan Gartmann war einfach stärker. Immerhin konnte er eine Viererwertung verhindern. Dem sonst so enthusiastischen Publikum war ebenfalls nicht entgangen, daß ein halbes Wunder hätte geschehen müssen, um den Favoriten noch vom Weg ins Finale abzubringen. Da halfen auch die tapferen Anfeuerungsrufe für Alfred Ter-Mkrtchian wenig, der den goldblauhaarigen Olaf Brandt zwar besiegte, aber zur Strafe einen gemeinen Nasenstüber hinnehmen mußte.

Als nach der Pause Hans Gstöttner gegen Alexander Leipold benachteiligt wurde und mit 0:2 Punkten unterlag, tobte die Halle und geißelte das Kampfgericht mit wütenden „Schuster raus!“-Rufen. Jetzt hätte nur noch ein doppeltes Wunder helfen können, um das Finale doch noch zu erreichen. Statt dessen flogen, wie beim Eishockey üblich, Pappbecher und Sitzkissen in Richtung Matte. Und als der stilfremd ringende André Backhaus gegen Janos Takacz den kürzeren zog, begannen die Goldbacher Schlachtenbummler zu singen und sich auf die Endkämpfe gegen die Aalener, die trotz einer 13:15,5-Niederlage im Rückkampf gegen Witten das Finale erreichten, einzustimmen.

Wenn es nach Lilo Mayer, der verrücktesten Schifferstädter Anhängerin, geht, werden die Aalener auch ganz bestimmt der neue Champion. Willi Heckmann ist da schon eine Spur diplomatischer: „Es wäre ganz schön für das Ringen, wenn wieder mal ein anderer Verein Deutscher Meister werden würde.“ Günter Rohrbacher-List