: Globale Eingreifstrategie
■ betr.: „Nato bleibt Thema“, taz vom 6.1. 97
Anläßlich des Besuchs beim russischen Präsidenten Jelzin hofft Bundeskanzler Kohl auf eine „Lösung der Vernunft“, die die Nato- Erweiterung ermöglichen soll, ohne gleichzeitig neue Gräben aufzureißen. Das sind wohlklingende Formeln, doch worum geht es wirklich? Die bipolare Welt des Ost-West-Konflikts ist zu einer unipolaren Welt mit den USA als globaler Hegemonialmacht geworden. Im Bereich der westlichen Industriestaaten werden vorrangig schnelle Eingreiftruppen auf- und ausgebaut. Obwohl eine militärische Bedrohung dieser Länder nicht erkennbar ist, wird die qualitative Aufrüstung systematisch fortgeführt und im Gefolge davon der Rüstungsexport weiterbetrieben. Die Umgestaltung der alten zu einer „neuen Nato“, die außerhalb des Verteidigungsauftrages und des Nato-Vertragsgebietes, also out-of-area, tätig wird, zeigt eindeutig: Die reichen Industriestaaten, die G7, organisieren unter Führung der USA ein weltweites militärisches Eingreifsystem. Dieses im Aufbau befindliche Eingreifsystem, das besonders bei den US-Streitkräften bereits sehr weit vorangeschritten ist, dient nicht der humanitären Intervention. Vielmehr soll die in vollem Gang befindliche Globalisierung der wirtschaftlichen Expansion, die ganz überwiegend von den G-7-Staaten und ihrem Anhang ausgeht, auf diese Weise ein militärisches Korsett erhalten. Niemand soll aus der „Neuen Weltordnung“ ausbrechen oder sie in Frage stellen dürfen. Diejenigen, die es doch wagen, riskieren militärisch gestützte Strafen und Isolierungen. Während der im Golf-Krieg von US-Präsident Bush geprägte Begriff der „Neuen Weltordnung“ von vielen zunächst als Wortblase belächelt wurde, zeigt sich nun seine große strategische Bedeutung. Daß die USA als globale Führungsmacht dabei die UN schwächen und zu instrumentalisieren versuchen, kann kaum verwundern.
Im Konzept dieser globalen Eingreifstrategie übernimmt die Nato, der die Bundeswehr zugeordnet ist, die Zuständigkeit vom Atlantik bis weit nach Afrika, Nahost und Asien. Der pazifische und südasiatische Bereich werden von den USA in Kooperation vor allem mit Japan und regionalen Vereinbarungen kontrolliert.
Erst unter dieser strategischen Perspektive wird verständlich, warum die Nato mit Moskau so hartnäckig um die „Osterweiterung“ ihres Paktes feilscht und vor allem, warum sie Rußland um jeden Preis draußen halten will. Rußland, mit seiner gänzlich ungewissen Zukunft zwischen Weltmachtanspruch und Drittwelt- Ökonomie darf und kann aus G-7-Sicht selbstverständlich nicht teilhabendes Subjekt einer globalen militärischen Eingreifstrategie im Sinne der Neuen Weltordnung sein. Für Rußland ist nur die Rolle eines Objekts der Globalisierung vorgesehen. Es muß deshalb außerhalb des militärisch-strategischen Machtapparates bleiben. Um Moskau zu beruhigen und ihm den Übergang in die Objektrolle zu erleichtern, werden ihm Zuckerl in Form unterschiedlich gearteter Partnerschaften angeboten. Das Zentrum der Macht bleibt für Moskau jedoch gesperrt. Das weiß man auch im Kreml. Dessen Feilschen um die Zustimmung beziehungsweise Zulassung ehemaliger sowjetischer Vorfeldstaaten dient nur noch der Absicherung gegenüber innenpolitischen Rivalen mit Großmachtideologien und der Verbesserung des russischen Status durch diese oder jene kleinen Zugeständnisse von Nato und G7.
Die von Kohl angekündigte „Lösung der Vernunft“ heißt im Klartext, daß es eine gesamteuropäische Friedensordnung gleichberechtigter Partner, wie sie mit dem Begriff des „Gemeinsamen Hauses“ nach dem Ende des Ost- West-Konfliktes beschworen wurde, nicht geben soll. Die Nato- Vernunft setzt auf ihre Vorherrschaft und Stärke und auf die Bereitschaft der Staaten außerhalb, sich zu fügen. Das bedeutet weitere qualitative Aufrüstung und Konflikte mit den Ausgegrenzten. Die führenden Industriestaaten schaffen auf diese Weise die Grundstrukturen für ein Konfliktmuster, das uns heute bereits von dem Ideologen S. Huntington und seinen Nacheiferern, auch in der Bundeswehr, als naturgegebener Kampf der Kulturen angedient wird. Andreas Buro,
Friedenspolitischer Sprecher
des Komitees für Grundrechte
und Demokratie
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