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Zukunft in Schwarzweiß

Viel Arbeit und viele Arbeitslose: Trotzdem wird alles gut, das sieht zumindest der Hellseher Shandro Ramagani voraus  ■ Von Julia Kossmann

„Hellseher ist wahrlich kein Traumberuf“, sagt Shandro Ramagani, der davon lebt, sich in Trance anderer Leute Zukunft auszumalen. Doch es erfülle ihn, Menschen helfen zu können, zumal jenen, denen die Angst vor der Zukunft über den Kopf wachse. Und das hat natürlich viel mit Psychologie zu tun.

„Das Hellsehen ist unser sechster Sinn“, sagt der schwergewichtige Bajuware. Bis zum 17. Januar gastiert Ramagani, der diesen bei den meisten verkümmerten Sinn kultiviert hat, in Hamburg und berät seine Kundschaft in der Hanse-Suite des Holiday-Inn für 350 Mark eine Stunde lang höchstpersönlich. Der Sohn eines Inders und einer Österreicherin studierte bei Professor Milan Ryzl in Kalifornien Parapsychologie. In Schwarzweiß spulen sich die Bilder vor seinem inneren Auge ab, erzählt er. Ob der Traummann blond oder rothaarig ausfällt, kann er deshalb nicht voraussehen.

Überfragt ist er auch, was die Farbenspiele nach den Hamburger Bürgerschaftswahlen im kommenden September betrifft. Als Bayer habe er einfach zu wenig Bezug zu den Nordlichtern, er könne höchstens einen Mann am Schreibtisch sehen, aber in Unkenntnis der Hamburger Verhältnisse, wisse er gar nicht, wer das denn sei. Die Bilder, die er mittels Meditation aus seinem Unterbewußtsein hervorkrame, bedürften schließlich einer Deutung, bei der auch er sich irren könne. Denn: „Ich bin Hellseher, aber nicht allwissend.“

Da hat er von manchem in der großen Politik schon einen genaueren Begriff. Boris Jelzin wird die nächsten zwei Monate nicht überleben, glaubt er. Nukleare Katastrophen hingegen sieht der Mann, der den Reaktorunfall in Tschernobyl bereits im Mai 1984 voraussagte, in nächster Zukunft nicht. Dafür ist er sicher, daß Michael Schumacher zum dritten Mal und erstmals im Ferrari zum Weltmeister gekürt wird, daß Boris Becker nie mehr die Nummer eins im Tennis spielen wird und daß der nächste deutsche Fußballmeister Bayer Leverkusen heißt, denn: „Daum wird gute Arbeit leisten.“

Vor Jahren sah Ramagani in Los Angeles den Absturz der Raumfähre Challenger voraus. Als diese einige Tage später tatsächlich vom Himmel fiel, bekam er prompt Besuch von zwei Herren vom FBI, die ihn der Sabotage verdächtigten. Der Verdacht verflüchtigte sich bald, statt dessen hatte er zwei neue Kunden, die Näheres über ihre eigene Zukunft wissen wollten.

Gefragt, ob die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2000 zu halbieren sei, antwortet der Mann, der ursprünglich einmal Fußball-Profi werden wolle: „Da wird doch eher St. Pauli deutscher Meister.“ Die schlimmsten Sparjahre aber lägen schon hinter uns, glaubt Ramagani. Mithin reiße jedoch eine Art hysterischer Zukunftsangst besonders Jugendliche mit sich, dabei „gibt es doch so viel Arbeit zu tun“. Es muß ja nicht immer die Hellseherei sein.

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