Mord wegen zwei Mark Beute

■ Vor sechs Jahren ging die Polizei vom natürlichen Tod eines Rentners aus. Dann gestand ein 33jähriger: Es war Mord

Zwei Mark Beute trug er davon. Daß Daniel J. dafür offenbar „über Leichen ging“, hätte niemals jemand erfahren, hätte er selbst nicht gegenüber der Polizei gestanden. Denn die ging jahrelang vom natürlichen Tod des Rentners Richard S. aus, nachdem dieser im Oktober 1989 ertrunken in der Badewanne seiner Wohnung aufgefunden wurde. Sechs Jahre später wurde gestern vor dem Hamburger Landgericht das Verfahren gegen Daniel J. wegen gemeinschaftlichem Mord und schwerem Raub eröffnet.

Neben der Leiche des Rentners ließ der 33jährige Daniel J. auf dem Weg zu diesem Prozeß auch seinen Kumpel Peter H. zurück. Den nämlich beschuldigte er im Januar 1993. Peter H., so gab er der erstaunten Polizei zu Protokoll, habe den bislang unbekannten Mord begangen. Er skizzierte ein Liebes-Melodram: Aus Eifersucht habe Richard S. sterben sollen. Dessen Verhältnis mit Daniel J. sei Peter H. ein Dorn im Auge gewesen, weil er den Kumpel, so soll er diesem gegenüber beteuert haben, „für sich allein haben“ wollte. Zunächst habe er dem Rentner deshalb zwanzig Beruhigungstabletten in den Tee gemischt. Dann habe er sich über dessen angebliche Käsefüße mokiert und ihn unter diesem Vorwand in die Badewanne geschickt. Dort habe er ihn ertränkt. Daniel J. will noch vergeblich versucht haben, den Freund von der Badewanne wegzureißen.

Peter H. gestand schließlich und wurde wegen Beihilfe zum Mord zu drei Jahren Haft verurteilt. Ehe er ins Gefängnis mußte, nahm er sich das Leben.

Obwohl das Gericht Peter H. nur für einen „Mordgehilfen“ hielt, wurde gegen seinen Kumpel Daniel J. zunächst nicht einmal ermittelt. Denn Indizien für einen Verdacht in dieser Richtung, so Staatsanwalt Thomas Nachtigall-Marten gegenüber der taz, habe es keine gegeben – bis sich Daniel J. im Sommer 1995 erneut bei der Polizei meldete. Diesmal, um sich selbst zu beschuldigen: Er habe mitgeholfen, den Rentner unter Wasser zu drücken, räumte er nun ein. Aus dem Liebes-Melodram wurde damit ein eiskalter Raubüberfall mit anschließendem Mord: Mit Gaspistolen hätten die beiden Freunde Geld von Richard S. verlangt. Dann hätten sie ihn ertränkt.

Mittlerweile hat Daniel J. sein Geständnis widerufen. Doch warum hat er es überhaupt abgelegt? „Er hat gar keine konkrete Erinnerung mehr“, ist seine Rechtsanwältin Martina Zerling überzeugt. Außerdem habe sich ihr psychisch sehr kranker Mandant „immer weiter in das Bild des toten Rentners in der Badewanne reingesteigert“. Der Prozeß wird fortgesetzt.

Elke Spanner