„Kein Befreiungsschlag“

■ Die grüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer warnt vor den SPD-Plänen zum Ausverkauf von Gasag und Bewag: Kooperation mit Kommunen als Alternative

taz: Frau Schreyer, der SPD- Vorstand hat dem heutigen Sonderparteitag empfohlen, dem Verkauf von Gasag und Bewag zuzustimmen. Ist das der finanzpolitische Befreiungsschlag?

Michaele Schreyer: Das ist kein Befreiungsschlag, sondern ein finanzpolitischer Offenbarungseid. Was die Politik der Finanzsenatorin Fugmann-Heesing von der ihres Vorgängers Pieroth unterscheidet, ist, daß zu der Rekordverschuldung eine Rekordverscherbelung tritt. Die SPD muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie mit ihrer früheren Ablehnung von Verkäufen zum Beispiel der Gasag- und Bewag-Anteile eine höhere Verschuldung und damit höhere Zinsbelastung in Kauf genommen hat. Die strukturpolitischen Gründe, die vor zwei Jahren gegen den Ausverkauf sprachen, gelten aber noch heute.

Was halten Sie vom Holding- Modell des SPD-Vorstandes? Geplant ist, die Wasserwerke, die Stadtreinigung, die BVG und die Hafen- und Lagergesellschaft Behala unter ein Dach zu bringen und als Aktiengesellschaft teilweise zu privatisieren.

Eine Holding macht Sinn, wenn dadurch Steuern gespart werden können. Beispielsweise könnten die Verluste der BVG mit Überschüssen der Wasserbetriebe steuerlich verrechnet werden.

Das hatten die Grünen bereits im letzten Jahr vorgeschlagen. Ich halte eine Privatisierung, also einen Verkauf von Landesanteilen, jedoch für problematisch. Eine Ausgabe von Aktien an diesen Unternehmen kann nur funktionieren, wenn die Aktien einen Ertrag versprechen. Diese Unternehmen bekommen dann nicht mehr die Vorgabe, kostendeckend zu arbeiten, sondern Gewinn zu erwirtschaften. Dann werden für die Bürger die Preise steigen oder es werden notwendige Investitionen heruntergefahren. Das ist nicht die Zielsetzung der Grünen.

Was sind Ihre Vorschläge, um mit anderen Verkäufen von Landesvermögen 5,8 Milliarden Mark in die Landeskasse zu bekommen?

Die Alternativen zum simplen Verkauf von Landesvermögen an Dritte sind der Aufkauf von landeseigenen Unternehmen untereinander und zweitens die Kooperation mit anderen Kommunen oder Bundesländern.

Was schlagen Sie vor?

Erstens könnten die Gasag-Anteile an die Wasserwerke verkauft werden. Zweitens könnte bei einer Fusion zwischen der Bankgesellschaft Berlin und der Norddeutschen Landesbank die Position des öffentlichen Anteilseignerseigners gemeinsam von beiden Ländern wahrgenommen werden. Berlin und Niedersachsen könnten einen Teil ihrer Anteile an den Banken verkaufen.

Bei der Bewag befürworte ich ein Kreuzgeschäft zwischen Bewag und der Hamburger Elektrizitätswerke (HEW). Beide Unternehmen haben große stille Reserven. Durch den Verkauf von Landesanteilen an der Bewag an die HEW und umgekehrt könnten beide Länder Milliarden aktivieren, ohne daß sie ihren Einfluß verlieren.

Ist das Ziel der Großen Koalition, in diesem Jahr 5,8 Milliarden Mark durch Verkäufe in die Landeskasse zu bringen, realistisch?

Die Große Koalition hat sich völlig darauf kapriziert, diese Deckungslücke durch Verkäufe zu schließen. SPD und CDU machen überhaupt keine Anstrengungen mehr, durch Einsparungen erreichen. Die Koalition belastet damit weiter die Zukunft Berlins.

Interview: Dorothee Winden/

Christian Füller