■ Das Zungenspitzenschnalzschreibweisenproblem
: Ts, ts, ts!

Affen ins Weltall schießen, das können sie, die Menschen, aber wie sie das abfällige Zungenspitzenschnalzen buchstabieren sollen, das wissen sie immer noch nicht, auch nicht nach 4.000 Jahren Schriftkulturgeschichte.

Dabei ist das entsprechende Geräusch überall zu hören. Wenn auf der Rolltreppe links gestanden wird. Wenn der Bus wieder einmal nach „Betriebshof“, nach „Dienstfahrt“ oder nach „nicht einsteigen“ fährt, drei Reiseziele, über deren Beschaffenheit sich selbst die mit allen öffentlichen Nahverkehrswassern gewaschene Weltenbummlerin Susanne Fischer vergeblich den Kopf zerbrochen hat. Oder man steht im sogenannten Reisezentrum in der Schlange, und der Bahnkunde, der sich seit einer Viertelstunde beraten und bedienen und mit Extrawürsten mästen läßt, möchte zum Schluß noch eine Verbindung von Vodochody über Crölpa-Löbschutz nach Zbrnice haben, weswegen der Bahnbeamte aufsteht, um verschiedene Auslandskursbücher zu suchen. Großes Zungenspitzenschnalzen allenthalben. Die Zungenspitze wird gegen die obere Schneidezahnwurzelreihe gedrückt und plötzlich mit spitzem Geschnalz empört zurückgezogen. Aber wie schreibt man das? Ts? Ds? Dz?

„Da schüttelte das Paßbild traurig sein Haupt und sagte: ,Tz, tz, tz‘“, hat Robert Gernhardt in seiner Geschichte „Das Wandbild und das Paßbild“ geschrieben, aber das ist auch keine befriedigende Lösung. Nicht einmal dem wortgewandten Arno Schmidt ist es gelungen, das Problem onomatopoetisch zu bewältigen. „Jetzt ,Tz‘t er mit der Zunge“, heißt es in der „Schule der Atheisten“ – auch das ist nicht gerade ein Anlaß zum Jubeln und Mützenwerfen.

Und der Tommy? „She tsk-tsks over Momma“, stand im April 1976 im britischen Punch zu lesen. Auf der Seite „Tschernozem–T Square“ führen Redakteure des „Oxford English Dictionary“ das indignierte Zungenspitzenschnalzgeräusch tatsächlich unter „tsk“ auf („A sound expressing commiseration; an exclamation of dissaproval or irritation“). Belegt werden dort auch die Schreibweisen „tsck- tsck“ und „tut-tut“. Wer aber jemals seinem Mißbehagen mit den Worten „tsck-tsck“, „tsk-tsk“ oder gar „tut-tut“ Ausdruck verliehen hat, dürfte sich dabei und danach ungefähr so kläglich gefühlt haben wie eine Weindrossel, die nicht mehr singt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, sondern so, wie es das deutsche Vogelstimmenbestimmungsbuch vorschreibt: „Tiröppi, tiröppi, tiröppi!“

Es sieht nicht so aus, als sei das Zungenspitzenschnalzen buchstäblich ins Wort zu erlösen oder auch nur einleuchtend zu umschreiben. Um das Gurgeln, das Rülpsen und das Niesen haben sich die Dichter öfter und mit größerer Hingabe gekümmert. Oder? Existieren irgendwo Belegstellen für plausibel formuliertes Zungenspitzenschnalzen? Gibt es Alternativen zu „ts“, „ds“, „tz“, „dz“, „tsk“, „tsck“ und „tut-tut“? Und liest überhaupt noch jemand mit?

Ich gebe diese Fragen an die Menschheit weiter und empfehle ihr, das Zungenspitzenschnalzschreibweisenproblem zu lösen. Anschließend – was nützt das schlechte Leben! – können von mir aus ganze Gorillaherden ins Weltall geschossen werden. Gerhard Henschel